In seiner Hand
seinem Wagen zurück.
16
Den Rest des Tages wusste ich nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte. All meine Pläne waren im Sande verlaufen, und es schien keine weiteren Spuren zu geben, denen ich hätte folgen können. Ich nahm ein Bad, wusch mir die Haare, widmete mich meiner Wäsche. Ich hörte mir alle Nachrichten auf dem Anrufbeantworter noch einmal an. Es war nur eine einzige hinzugekommen. Dann klappte ich meinen Laptop auf und sah nach, ob ich neue E-Mails erhalten hatte. Ebenfalls nur eine. Jemand warnte mich vor einem Computervirus.
Ich wanderte im Wohnzimmer herum, sah mir ein weiteres Mal die Listen an, die ich an die Wand geheftet hatte, und versuchte mich auf das zu konzentrieren, was ich mit Sicherheit wusste: Ich war entweder schon am Donnerstagabend entführt worden oder aber am Freitag, Samstag oder Sonntag. Mein Mobiltelefon befand sich im Besitz eines Mannes. Ich hatte mit jemandem Sex gehabt.
Schließlich fasste ich einen Entschluss: Von nun an würde ich jedes Mal abheben, wenn Jos Telefon klingelte. Ich würde all ihre Briefe öffnen. Außerdem konnte ich versuchen, mich mit ihren Freunden in Verbindung zu setzen.
Ich begann mit der Post, holte mir die Briefe, die ich auf dem Kaminsims deponiert hatte, und schlitzte sie auf.
Freunde von Jo fragten an, ob sie Lust habe, sich mit ihnen ein Ferienhaus in Spanien zu teilen. Ein Verlag unterbreitete ihr das Angebot, bei der Überarbeitung eines Schulbuchs mitzuwirken. Der nächste Brief enthielt eine Einladung zu einem Klassentreffen. Eine Freundin, die Jo seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, wollte den Kontakt auffrischen. Eine andere Freundin schickte ihr einen Zeitungsausschnitt über die Vor- und Nachteile von Antidepressiva. Ich schrieb mir ihren Namen und ihre Telefonnummer auf, ebenso die Nummer des Mannes, der einen Kostenvoranschlag für einen neuen Boiler geschickt hatte. Dann warf ich einen Blick auf die Postkarten, doch es handelte sich bloß um rasch hingekritzelte Urlaubsgrüße oder Dankesworte für irgendwelche Gefälligkeiten.
Anschließend ging ich noch einmal sämtliche Nachrichten durch, die auf dem Anrufbeantworter gespeichert waren. Mit Jos Lektorin hatte ich bereits gesprochen. Von den übrigen Anrufern hatten nur wenige ihren Nachnamen oder ihre Nummer hinterlassen. Ich rief eine Frau namens Iris an, die sich als Jos Cousine entpuppte, und führte mit ihr ein ziemlich chaotisches Gespräch über Daten. Sie hatte Jo vor sechs Monaten das letzte Mal gesehen. Dann rief ich die Frau an, die den Ausschnitt über Antidepressiva geschickt hatte. Ihr Name war Lucy, sie kannte Jo schon seit Jahren, hatte alle ihre Höhen und Tiefen mitbekommen. Die beiden hatten sich an Silvester gesehen, und Lucy berichtete, Jo sei ihr ein wenig stiller erschienen als sonst. Zugleich aber habe sie den Eindruck gehabt, sie habe ihr Leben ein wenig besser im Griff. Nein, seitdem habe sie nichts mehr von ihr gehört, und sie könne auch nicht sagen, wie ihre weiteren Pläne ausgesehen hätten. Da Lucy allmählich besorgt klang, erklärte ich, es sei wahrscheinlich alles in Ordnung und sie solle sich keine Sorgen machen. Anschließend versuchte ich, den Klempner zu erreichen, aber er war nicht da. Ich hinterließ eine Nachricht auf seinem Band.
Danach nahm ich mir Jos Computer vor, der in einer Ecke des Raums auf ihrem Schreibtisch stand. Nachdem ich ihre Dateien durchgesehen hatte, überlegte ich, ob ich ihre Lektorin anrufen und sie darüber informieren sollte, dass das Projekt, an dem Jo gearbeitet hatte, allem Anschein nach fertig in ihrem Computer gespeichert sei.
Ich klickte ihre Mailbox an und ging die neueren E-Mails durch. Ich überlegte, ob ich mit einer Standardnachricht bei allen Leuten in ihrer Adressliste anfragen sollte, ob sie etwas von ihr gehört hätten, beschloss aber, damit noch ein, zwei Tage zu warten.
Ben hatte gesagt, Jo sei ein sehr zurückhaltender Mensch, in dessen Privatsphäre ich inzwischen jedoch ziemlich tief eingedrungen war. Ich hoffte, sie würde das verstehen. Er hatte auch gesagt, sie sei sehr ordentlich. Ich beschloss, vorsichtshalber gründlich sauber zu machen.
Ich spülte das Geschirr ab, das wir am Vorabend benutzt hatten, schrubbte die Badewanne und räumte alles auf, was herumlag. Dann suchte ich nach dem Staubsauger und entdeckte ihn in dem hohen Schrank neben dem Bad, wo ich außerdem eine Katzentoilette und mehrere Dosen Katzenfutter sowie einen schwarzen Müllsack fand, der ihre
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