In seiner Hand
Diese Unwissenheit lähmte mich. Hätte ich gewusst, wo sich der Notausgang befand, hätte ich darauf zusteuern können. Hätte ich gewusst, wo das Feuer loderte, hätte ich in die andere Richtung laufen können.
Als die Feuersirene erneut einsetzte, wachte ich auf.
Benommen realisierte ich, dass die Türklingel schellte. Ich griff nach meinem Bademantel. Meine Augen waren schwer. Die Lider fühlten sich zusammengeklebt an. Bei einem Auge zog ich sie mit den Fingern auseinander, als wollte ich eine Traube schälen, musste mir den Weg zur Tür aber trotzdem ertasten. Dennoch stellte ich sogar in diesem schlafwandlerischen Zustand noch sicher, dass die Kette vorgelegt war. Als ich die Tür einen Spalt weit öffnete, spähte das Gesicht eines jungen Polizeibeamten zu mir herein.
»Miss Devereaux?«, fragte er.
»Wie spät ist es?«
Er warf einen Blick auf seine Uhr.
»Drei Uhr fünfundvierzig«, antwortete er.
»In der Nacht?«
Er wandte sich um. Draußen war es grau und bewölkt, aber ganz offensichtlich Tag. Allmählich bekam ich wieder einen klaren Kopf.
»Es geht um den Wagen, nicht wahr?«, sagte ich. »Ich wollte ihn eigentlich längst abholen. Erst war es der Strafzettel, dann die Autokralle. Ich wollte mich schon die ganze Zeit darum kümmern, hatte aber so viel anderes zu tun. Die Einzelheiten erspare ich Ihnen besser, Sie wollen sie bestimmt nicht hören.«
Er starrte mich verständnislos an.
»Ich bin nicht wegen eines Wagens hier«, erklärte er.
»Dürfen wir reinkommen?«
»Vorher würde ich gern Ihren Dienstausweis sehen.«
Seufzend reichte er mir ein dünnes Ledermäppchen. Als ob ich einen echten Dienstausweis von einem falschen unterscheiden könnte.
»Die kann man wahrscheinlich im Internet bestellen«, sagte ich.
»Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer, die Sie anrufen können, wenn Sie noch immer Bedenken haben.«
»Ja, und da nimmt dann ein Freund von Ihnen ab, der schon auf meinen Anruf wartet.«
»Hören Sie, Miss Devereaux, DI Cross schickt mich. Er möchte mit Ihnen reden. Wenn das für Sie ein Problem darstellt, würde ich Sie bitten, das mit ihm selbst zu klären.«
Ich entriegelte die Tür. Sie waren zu zweit. Umständlich reinigten sie auf der Türmatte ihre Schuhe und nahmen ihre Dienstmützen ab.
»Wenn Cross mit mir reden möchte, warum ist er dann nicht selbst gekommen?«
»Wir sollen Sie mitnehmen.«
Ich stand schon im Begriff, eine wütende Bemerkung zu machen, empfand jedoch gleichzeitig Erleichterung.
Endlich wandte sich Cross von sich aus an mich. Ich war nicht mehr diejenige, die ihm Unannehmlichkeiten bereitete. Fünf Minuten später saß ich in einem Polizeiwagen, der in Richtung Süden brauste. Als wir an einer Ampel anhalten mussten, bemerkte ich, wie ein paar Leute zu mir hereinstarrten. Ich sah ihnen an, was sie dachten: Wer war diese Frau, die dort auf dem Rücksitz saß? War sie eine Verbrecherin oder eine Polizistin? Ich versuchte, eher wie eine Polizistin auszusehen. Als wir den Fluss überquerten, warf ich einen Blick aus dem Fenster und runzelte die Stirn.
»Das ist die falsche Richtung«, sagte ich.
»DI Cross ist auf dem Revier Castle Road.«
»Warum?«
Ich bekam keine Antwort.
Castle Road war ein brandneues Polizeirevier mit viel Glas und farbigem Stahlrohr. Wir parkten an der Rückseite des Gebäudes, wo mich die beiden Beamten rasch durch eine kleine Tür und eine Treppe hinaufführten. In dem Büro, in dem Cross mich erwartete, saß noch ein zweiter Detective, ein Mann mittleren Alters mit schütterem Haar, der mir die Hand hinstreckte und sich als Jim Burrows vorstellte.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Cross. »Wie geht es Ihnen?«
»Hat das alles mit Jo zu tun?«
»Was?«
»Ich bin ihretwegen nämlich nach Dorset gefahren. Sie war nicht in dem Cottage, in das sie sich normalerweise gern zurückzieht. Außerdem habe ich mit einem Mann gesprochen, der sie kennt und der weitere andere Bekannte von ihr angerufen hat, doch niemand weiß, wo sie ist.«
»Ach ja, richtig«, sagte Cross und warf einen leicht verlegenen Blick zu Burrows hinüber. Es war ein typischer Wissen-Sie-jetzt-was-ich-gemeint-habe-Blick.
»Aber ich wollte Sie eigentlich etwas anderes fragen«, fuhr er fort. »Bitte setzen Sie sich.« Er deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. »Kennen Sie eine Frau namens Sally Adamson?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Wer soll das sein?«
»Hatten Sie inzwischen Kontakt mit Terry Wilmott?«
Plötzlich lief
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