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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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streichelte. Oder sie ist tot, dachte ich, genau wie … Ich dachte den Gedanken nicht zu Ende.

Oder Jo hatte vorgehabt, sich eine Katze ins Haus zu holen. Ich ging zurück zu dem Schrank und sah mir die sechs Dosen genauer an. Das Futter war für Katzenkinder.
    Es sah also tatsächlich so aus, als hätte Jo geplant, sich ein Kätzchen zuzulegen. Weshalb hatte ich das Gefühl, dass das wichtig war?
    Ich zog meine Jacke an, setzte meine Wollmütze auf, rannte hinunter auf die Straße und klingelte bei Peter. Er machte sofort auf, als hätte er die ganze Zeit durchs Fenster nach mir Ausschau gehalten. Seine Katze lag auf dem Sofa. Obwohl sie schlief, zuckte ihr Schwanz ganz leicht.
    »Das ist aber eine nette Überraschung!«, sagte Peter. Ich spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen. »Tee?
    Kaffee? Oder vielleicht einen Sherry? Bei diesem Wetter hat ein Sherry eine wärmende Wirkung.«
    »Tee wäre wunderbar.«
    »Ich habe gerade eine Kanne gemacht. Als hätte ich gewusst, dass Sie kommen. Ohne Zucker, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Diesmal nehmen Sie aber einen Keks dazu, ja? Obwohl Sie es immer so eilig haben. Ich sehe Sie bloß im Laufschritt kommen und gehen. Sie sollten sich ein bisschen mehr Zeit lassen.«
    Ich nahm ein Ingwerplätzchen aus der Dose, die er mir reichte. Es war schon ein wenig weich.
    »Ich wollte Sie fragen, ob ich ein paar Einkäufe für Sie erledigen könnte«, sagte ich. »Sie gehen bei diesem Wetter wahrscheinlich nicht so gern aus dem Haus.«
    »Das ist der Anfang vom Ende«, antwortete er.
    »Wie bitte?«
    »Wenn man aufhört, seine Sachen selbst zu erledigen.
    Ich verlasse das Haus dreimal täglich. Morgens hole ich mir am Kiosk meine Zeitung. Kurz vor dem Mittagessen mache ich einen kleinen Spaziergang, auch wenn es regnet, so wie heute, oder eiskalt ist. Nachmittags gehe ich mein Abendessen einkaufen.«
    »Wenn Sie trotzdem etwas brauchen …«
    »Es ist sehr lieb von Ihnen, an mich zu denken.«
    »Wie heißt Ihre Katze?« Ich streichelte ihren getigerten Rücken. Sie streckte sich genüsslich und öffnete ein goldenes Auge.
    »Patience. Sie ist inzwischen fast vierzehn. Das ist alt für eine Katze, müssen Sie wissen. Du bist eine alte Dame geworden«, fügte er an das Tier gewandt hinzu.
    »Hatte Jo eigentlich auch eine Katze?«
    »Sie wollte eine. Sie hat gesagt, sie brauchte ein wenig Gesellschaft. Manche Leute lieben Hunde, andere bevorzugen Katzen. Jo war der Katzentyp. Was sind Sie?«

    »Ich bin nicht sicher. Sie wollte sich also eine Katze zulegen?«
    »Sie ist zu mir gekommen und hat mich gefragt, wo sie eine bekommen könnte. Sie hat gewusst, dass ich Katzen liebe. Ich habe immer welche gehabt, seit meiner Kindheit.«
    »Wann war das? Wann ist sie deswegen zu Ihnen gekommen?«
    »Oh, vor ein paar Wochen. Kurz bevor Sie eingezogen sind, glaube ich. Das müssten Sie eigentlich wissen.«
    »Woher sollte ich das wissen?«
    »Wir haben zu dritt darüber gesprochen, an dem Tag, als Sie Ihre Sachen gebracht haben und wir uns draußen auf dem Gehsteig begegnet sind.«
    »An dem Mittwoch?«
    »Möglich, dass es ein Mittwoch war. Erinnern Sie sich denn nicht mehr daran? Jo hat gesagt, sie wolle sich eine zulegen.«
    »Wann?«
    »Noch am gleichen Nachmittag, falls irgendwo eine aufzutreiben wäre. Ihr schien sehr viel daran zu liegen. Sie hat gesagt, dass sie in ihrem Leben etwas ändern müsse.
    Mit dem Kätzchen wollte sie anfangen.«
    »Welchen Rat haben Sie ihr gegeben, als sie Sie gefragt hat, wo sie eines bekommen könnte?«
    »Es gibt viele Möglichkeiten, an ein kleines Kätzchen zu kommen. Als Erstes kann man die Karten bei den Zeitungshändlern oder im Postamt durchsehen. Die meisten machen es so, glaube ich. Da findet sich immer etwas. Erst heute ist mir eine dieser Karten aufgefallen, als ich mir meine Zeitung holte.« Das Telefon läutete, und er sagte: »Tut mir Leid, meine Liebe, nun müssen Sie mich kurz entschuldigen. Ich glaube, das ist meine Tochter. Sie lebt in Australien, müssen Sie wissen.«
    Während er abnahm, stellte ich meine Tasse ins Spülbecken. Ich winkte ihm zum Abschied zu, doch er hob kaum den Kopf.

    Am liebsten hätte ich Ben angerufen, nur um seine Stimme zu hören. Es wurde bereits dunkel, obwohl es nicht einmal vier Uhr war. Einer jener düsteren, nieseligen Tage, an denen es nie richtig hell zu werden schien. Ich schaute durch das Fenster auf die Straße, die noch vor wenigen Tagen schneebedeckt gewesen war. Jede Spur von Farbe schien sich

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