In seiner Hand
Worte, und sie verschwanden in der Dunkelheit.
»Oder sind Sie gern allein?«
»Vielleicht.«
»Wir brauchen doch alle jemanden, der uns liebt«, fuhr ich fort. »Niemand kann ganz allein sein.« Ich würde alles tun, um zu überleben, dachte ich. Ich würde mich von ihm festhalten und vögeln lassen und dabei auch noch so tun, als würde es mir gefallen. Alles, nur um zu überleben.
»Bestimmt gibt es einen Grund, warum Sie ausgerechnet mich ausgesucht haben und nicht irgendeine andere.«
»Willst du meine ehrliche Meinung hören? Hm? Soll ich dir sagen, was ich glaube?« Er legte eine Hand auf meinen Oberschenkel, ließ seine Finger auf und ab gleiten.
»Ja. Sagen Sie es mir.« Lieber Gott, bitte mach, dass ich mich nicht übergeben oder laut schreien muss.
»Ich glaube, du hast keine Ahnung, wie du im Moment aussiehst.« Er stieß wieder sein pfeifendes Lachen aus.
»Du glaubst, du kannst mit mir flirten, hm? Mich becircen wie irgendeinen Vollidioten. Aber du hast keine Vorstellung, wie du aussiehst, Herzchen. Du siehst überhaupt nicht wie ein Mensch aus. Du hast nicht mal ein Gesicht. Du siehst aus wie ein – ein – ein Ding. Oder ein Tier. Außerdem stinkst du. Du stinkst nach Pisse und Scheiße.« Wieder lachte er. Dabei verstärkte er den Druck seiner Finger auf meinem Oberschenkel, bis er mich so fest kniff, dass ich vor Schmerz und Demütigung aufschrie.
»Abbie, die sich solche Mühe gab«, flüsterte er. »Kelly, die weinte, bis sie starb, und Abbie, die sich Mühe gab.
Das reimt sich fast. Ich kann ein Gedicht aus euch machen. Abbie, die sich Mühe gab, bis sie am Ende trotzdem starb. Für mich macht es letztendlich keinen Unterschied.«
Abbie, die sich Mühe gab, bis sie am Ende trotzdem starb.
Reime in der Dunkelheit. Die Zeit lief mir davon, das wusste ich. Vor meinem geistigen Auge sah ich eine Sanduhr, den gleichmäßigen Strom des abwärts rieselnden Sandes. Erst, wenn der Sand zur Neige ging, schien er schneller zu fallen.
Er hob mich wieder von meinem Mauervorsprung.
Meine Zehen kribbelten, als würde jemand mit Stecknadeln hineinstechen, und meine Beine fühlten sich an, als gehörten sie nicht mehr zu mir. Sie waren steif wie Stöcke, nein, nicht wie Stöcke, eher wie Zweige, die jeden Augenblick zu brechen drohten. Ich taumelte so unsicher, dass er mich am Arm festhalten und stützen musste. Seine Finger gruben sich in meine Haut. Vielleicht hinterließen sie blaue Flecken, vier oben und einen unten. Ich spürte, dass im Raum Licht brannte, denn unter meiner Kapuze war es dunkelgrau, nicht schwarz. Er zerrte mich noch ein Stück weiter, dann sagte er: »Hinsetzen. Zeit für den Kübel.«
Er machte sich nicht die Mühe, die Fessel um meine Handgelenke zu lösen. Statt dessen übernahm er es selbst, mir die Hose hinunterzuziehen. Seine Hände glitten über meine Haut. Es war mir egal. Ich ließ mich auf dem Kübel nieder, legte die Finger hinter meinem Rücken an das kalte Metall und versuchte, ruhig zu atmen. Als ich fertig war, stand ich auf, und er zog mir die Hose wieder hoch. Sie war mir inzwischen viel zu weit. Einer spontanen Eingebung folgend, trat ich mit dem Fuß so heftig gegen den Eimer, dass er gegen seine Beine prallte und scheppernd umkippte. Ich hörte ein wütendes Grunzen und warf mich blind in Richtung des Geräuschs, wobei ich so laut schrie, wie es der Knebel in meinem Mund zuließ. Es klang nicht wie ein Schrei, eher wie ein schwaches Krächzen. Mit aller Kraft warf ich mich gegen ihn, aber es war, als würde ich gegen eine Wand laufen. Während er einen Arm hochriss um mich zu stoppen, rammte ich meinen Kopf gegen sein Kinn. Hinter meinen Augen explodierte ein roter Schmerz.
»Oh«, sagte er. Dann verpasste er mir einen Magenschwinger. Schlug ein zweites Mal zu. Hielt mich an der Schulter fest und rammte mir seine Faust in den Magen. »O Abbie!«
Ich saß wieder auf dem Mauervorsprung. Wo spürte ich eigentlich Schmerzen? Überall. Ich konnte die verschiedenen Teile meines Körpers nicht mehr auseinanderhalten, konnte nicht sagen, wo der Schmerz in meinem Kopf aufhörte und der Schmerz in meinem Hals begann, wo die Starre meiner Beine in die Kälte meines restlichen Körpers überging, wo der Eitergeschmack in meinem entzündeten Mund zur Übelkeit in meinem Magen wurde oder wo sich das Dröhnen in meinen Ohren in die Stille des Raums verwandelte. Ich versuchte, meine Zehen zu bewegen, doch es gelang mir nicht. Mühsam flocht ich meine Finger
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