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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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aber die Worte schienen nicht mehr richtig zusammenzupassen.
    »Können Sie damit leben?«, fragte ich, ohne so recht zu wissen, was ich damit eigentlich meinte.
    »Du hast keine Ahnung, womit ich leben kann. Du weißt gar nichts über mich.«
    »Ein bisschen weiß ich schon. Natürlich gibt es auch vieles, was ich nicht weiß. Immerhin weiß ich, dass Sie mich entführt haben. Ich wüsste gern, warum ausgerechnet mich. Das gehört zu den Dingen, die ich nicht weiß. Bald wird man Sie erwischen. Die Polizei wird kommen. Ich lausche ständig, ob ich ihre Schritte schon höre. Sie werden kommen und mich retten.«
    Wieder stieß er neben mir sein pfeifendes Lachen aus.
    Ich schauderte. Oh, mir war so kalt. Ich war völlig ausgekühlt, dreckig, alles tat mir weh, und ich hatte Angst.

    »Das ist kein Witz«, fuhr ich fort, obwohl mich das Sprechen anstrengte. »Jemand wird kommen und mich retten. Irgendjemand. Terry. Ich habe einen Freund, müssen Sie wissen. Terence Wilmott. Er wird kommen.
    Und ich habe einen Job. Ich arbeite bei Jay & Joiner. In einer verantwortungsvollen Position. Ich sage den Leuten, was sie zu tun haben. Sie werden mein Verschwinden nicht einfach ignorieren.« Es war ein Fehler, ihm solche Sachen zu erzählen. Ich versuchte meine Worte in eine andere Richtung zu lenken. Meine Zunge fühlte sich geschwollen an, mein Mund trocken. »Oder die Polizei.
    Man wird mich finden. Sie sollten mich gehen lassen, bevor sie mich finden. Ich werde nichts sagen. Ich werde Sie nicht verraten, habe ja auch gar nichts zu erzählen. Es gibt nichts, was ich verraten könnte.«
    »Du redest zu viel.«
    »Dann reden Sie. Reden Sie mit mir.« Ich wusste nur eins: Ich durfte nicht zulassen, dass er mir wieder einen Lumpen in den Mund stopfte und mir die Drahtschlinge um den Hals legte. »Was denken Sie gerade?«
    »Du würdest nicht verstehen, was ich denke, selbst wenn ich es dir sagen würde.«
    »Versuchen Sie es. Reden Sie mit mir. Wir könnten uns unterhalten. Gemeinsam einen Ausweg finden. Einen Weg, mich gehen zu lassen.« Nein, solche Dinge sollte ich nicht sagen. Ich sollte meine Gedanken für mich behalten.
    Mich konzentrieren.
    Lange Zeit kam aus der Dunkelheit keine Antwort. Ich stellte ihn mir vor, wie er da saß, ein widerliches, pfeifendes Ding.
    »Du möchtest, dass ich mit dir rede?«
    »Ja. Können Sie mir Ihren Namen sagen? Nein, nein, nicht Ihren richtigen Namen. Einen anderen – damit ich Sie irgendwie ansprechen kann.«
    »Ich weiß, was du da gerade versuchst. Weißt du es auch?«
    »Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Nein, das möchtest du nicht, Herzchen. Du versuchst bloß, clever zu sein. Ein cleveres Mädchen. Du versuchst es auf der Psychoschiene.«
    »Nein, das stimmt nicht.«
    »Du glaubst, du kannst dich mit mir anfreunden.« Er lachte in sich hinein. »Du bist gefesselt, und du weißt genau, dass du mir nicht entkommen kannst. Dir ist klar, dass du mir nichts anhaben kannst. Ich habe die Situation unter Kontrolle. Du bist nur deswegen noch am Leben, weil ich es so will. Natürlich fragst du dich, was du tun kannst. Du vermutest, dass ich ein trauriger, einsamer Mann bin, der sich vor Mädchen fürchtet. Und dass ich dich gehen lassen werde, wenn du es schaffst, dich mit mir anzufreunden. Aber du begreifst überhaupt nichts.«
    »Ich möchte nur reden. Die ewige Stille tut mir nicht gut.«
    »Weißt du, manche schniefen bloß vor sich hin. Sie sind wie halb totgefahrene Tiere, die hilflos auf der Straße herumzappeln und nur darauf warten, von ihrem Leid erlöst und zu Tode getrampelt zu werden. Andere wiederum haben versucht, mit mir zu handeln. Fran zum Beispiel. Sie hat gesagt, sie werde alles tun, was ich wolle, wenn ich sie dann gehen ließe. Als ob sie irgendwas besessen hätte, womit sie hätte handeln können. Oder wie siehst du das?«
    Mir war übel. »Ich weiß nicht.«
    »Gail hat ständig gebetet. Jedes Mal, wenn ich ihr den Knebel rausnahm, habe ich sie beten gehört. Das hat ihr auch nichts geholfen.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Wie meinst du das?«
    »Woher wollen Sie wissen, dass es ihr nicht geholfen hat? Das können Sie doch gar nicht wissen.«
    »Ich weiß es, das schwöre ich dir. Komisch, nicht wahr?
    Ein paar haben geheult, ein paar haben versucht, die Verführerin zu spielen. Ein bisschen hast du das auch versucht. Ein paar haben gebetet. Lauren dagegen hat gekämpft und gekämpft, keine Sekunde locker gelassen.
    Ihr musste ich ganz schnell den Rest geben.

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