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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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hören – ein stotterndes Läuten, weil die Batterie langsam den Geist aufgab. Sie schien eigentlich schon seit Monaten den Geist aufzugeben. Nachdem ich einen Moment gewartet hatte, klingelte ich noch einmal. Ich schob die metallene Briefklappe auf und spähte durch den Schlitz, ob jemand die Treppe herunterkam, sah aber nur einen Streifen des kastanienbraunen Teppichs.
    Ich holte den Ersatzschlüssel aus unserem hohlen Stein.
    Zweimal entglitt er meiner Hand, ehe es mir gelang, ihn mit meinen klammen Fingern ins Schloss zu stecken.
    Sogar noch in der Diele bildete mein Atem weiße Wolken.
    Ich hoffte, dass Terry die Heizung angelassen hatte oder wenigstens das Wasser noch heiß genug war für ein Bad.
    Ich fühlte mich schmuddelig, verfroren und seltsam flau, als würden meine Eingeweide durchgeschüttelt. Es war eine traurige Heimkehr. Trauriger ging es gar nicht.
    Mühsam schleppte ich mich die Treppe hoch, vorbei an der Wohnung im ersten Stock, in der ich einen Fernseher laufen hörte. Meine Beine fühlten sich an wie Blei, und als ich schließlich ein Stockwerk höher vor unserer Tür ankam, keuchte ich vor Anstrengung. Sobald ich den Schlüssel im Schloss umgedreht hatte, rief ich nach Terry.
    »Hallo? Hallo, ich bin’s! Ich bin wieder da!« Nichts.
    »Terry? Hallo?«
    Stille, abgesehen von einem Tröpfeln aus dem Bad.
    Plötzlich, ohne Vorwarnung, durchflutete mich eine Welle der Angst, und ich musste stehen bleiben und mich an der Tür festhalten, weil ich auf einmal ganz weiche Knie hatte. Ich atmete tief durch, ein und aus, bis die Angst verebbt war, dann betrat ich die Wohnung und zog die Tür hinter mir zu.
    Ich weiß nicht, was mir als Erstes auffiel. Vermutlich das allgemeine Chaos: die lehmigen Schuhe auf dem Wohnzimmerboden, der dreckige Geschirrberg, der sich im Spülbecken türmte, die verwelkten Tulpen auf dem Küchentisch, die in unmittelbarer Nachbarschaft mehrerer leerer Flaschen und eines überquellenden Aschenbechers die Köpfe hängen ließen. Überall staubige Flächen, abgestandene Luft. Erst jetzt registrierte ich, dass hier und dort seltsame Lücken klafften, wo eigentlich Dinge stehen sollten. Mein CD-Player zum Beispiel, der immer auf einem niedrigen Tischchen im Wohnzimmer neben dem kleinen Fernseher gestanden hatte. Doch inzwischen war dort kein kleiner Fernseher mehr, sondern ein neuer, großer. Automatisch wanderte mein Blick weiter zu dem kleinen Schreibtisch in der Ecke, auf dem normalerweise mein Laptop stand, aber der war ebenfalls weg. Es handelte sich um ein ganz altes Ding, gemessen an den Maßstäben der Computertechnik ein Dinosaurier, aber der Gedanke an all die Daten, die ich darin gespeichert hatte, ließ mich genervt aufstöhnen – allein schon die vielen E-Mail-Adressen, die ich mir nirgends sonst notiert hatte.
    Ich ließ mich auf das Sofa fallen, neben einen Stapel alter Zeitungen und Terrys Mantel. Waren wir ausgeraubt worden? Von den Büchern schienen auch einige zu fehlen
    – in den Regalfächern klafften mehrere Lücken. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was dort gestanden hatte: im unteren Fach eine riesige Enzyklopädie, im Fach darüber mehrere Romane, eine Gedichtanthologie, unser Pub-Führer … und definitiv ein paar Kochbücher.
    Ich ging ins Schlafzimmer hinüber. Das Bett war nicht gemacht. Die aufgebauschte Bettdecke hatte noch die Form von Terrys Körper. Auf dem Boden türmte sich ein Berg schmutziger Wäsche, daneben lagen zwei leere Weinflaschen. Ich zog die Vorhänge auf, um das blendende Sonnenlicht hereinzulassen, öffnete das Fenster, um für einen Moment die eisige, saubere Luft auf meinem Gesicht zu spüren. Erst dann blickte ich mich um.
    Es ist immer schwierig zu sehen, was nicht mehr da ist.
    Oft fällt gar nicht auf, dass etwas fehlt. Der Wecker an meiner Seite des Bettes. Meine hölzerne Schmuckschatulle, die immer auf der Kommode gestanden hatte. Sie enthielt nichts Wertvolles – ein paar Ohrringe, Armreifen, zwei Ketten, lauter Dinge, dich ich im Laufe der Jahre geschenkt bekommen hatte – aber es handelte sich um Erinnerungsstücke und Geschenke, die sich nicht ersetzen ließen.
    Ich zog die Schubladen auf. Von meiner gesamten Unterwäsche war nur noch ein alter schwarzer Slip übrig, lieblos in den hintersten Winkel gestopft. Mehrere meiner T-Shirts fehlten, außerdem ein paar Jeans und bessere Hosen sowie mindestens drei von meinen Pullis, darunter auch der sündhaft teure, dem ich im Winterschlussverkauf erlegen war. Ich

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