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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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zitternden Händen band ich mein feuchtes Haar zusammen.
    Terry hatte sich in dem Korbsessel in der Wohnzimmerecke niedergelassen – dem Korbsessel, den ich an einem verregneten Sonntagvormittag in einem Secondhand-Laden gekauft hatte. Ich hatte ihn sogar eigenhändig hergeschleppt, indem ich ihn mir wie einen Schirm über den Kopf hielt. Terry beugte sich vor und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus – dem Aschenbecher, den ich mir als Souvenir aus einem Café mitgenommen hatte, in dem ich als Kellnerin gejobbt hatte. Er nahm eine neue Zigarette aus der Schachtel auf dem Tisch und zündete sie sich an. Mit seinem kupferfarbenen Haar und seiner bleichen Haut sah er sehr schön aus, genau wie damals, als ich ihn kennen gelernt hatte. Die Probleme begannen erst, wenn er den Mund aufmachte.
    »Gedenkst du mich denn gar nicht zu fragen, wie es mir geht?«, fragte ich. Natürlich war es dafür jetzt zu spät.
    Wenn ich ihn erst dazu auffordern musste, war die Frage als Ausdruck seiner Besorgtheit nicht mehr akzeptabel.
    Genauso sinnlos ist es, wenn man einen Mann erst fragen muss, ob er einen liebt – wenn man ihn erst fragen muss, dann liebt er einen nicht. Jedenfalls nicht genug. Nicht so, wie man es sich wünscht.
    »Was?« Seine Stimme klang genervt.
    »Was ist los?«
    »Das würde ich gern von dir wissen. Du siehst schrecklich aus. Dein Gesicht, dieser Schnitt … Was ist mit dir passiert?«
    »Du weißt, dass ich im Krankenhaus war?«
    Er nahm einen langen Zug von seiner Zigarette, blies den Rauch langsam und genüsslich wieder aus, als wäre das viel interessanter als meine Person. Es gab zwei schlechtgelaunte Terrys. Der eine wurde zornig und laut.
    Den hatte ich im Bad für einen Moment zu Gesicht bekommen. Der andere war ruhig, wortkarg und sarkastisch, und genau dieser Terry saß mir nun im Korbstuhl gegenüber und rauchte eine Zigarette.
    »Ja, das habe ich mitbekommen«, antwortete er. »Wenn auch erst ziemlich spät. Ich habe es von der Polizei erfahren. Sie war hier.«
    »Ich habe versucht, dich anzurufen«, erklärte ich. »Du warst nicht da. Aber das weißt du ja selbst am besten.«
    »Ich war unterwegs.«
    »Terry«, sagte ich. »Ich habe wirklich – na ja, ich habe eine unsagbar schreckliche Zeit hinter mir. Ich möchte …«
    Ich hielt inne, weil ich gar nicht genau wusste, was ich wollte oder sagen sollte. Auf keinen Fall wollte ich mit einem zornigen Mann in einem eiskalten Raum sitzen.
    Eine Umarmung, dachte ich. Eine Umarmung, eine Tasse heiße Schokolade und liebe Menschen, die mir sagten, wie sehr sie sich über meine Heimkehr freuten und wie sehr sie mich vermisst hatten. Liebe Menschen, die mir ein Gefühl von Sicherheit gaben. Das brauchte ich jetzt. »Ich kann mich an nichts erinnern«, sagte ich schließlich. »Ich tappe völlig im Dunkeln und brauche deine Hilfe, um die vergangenen Tage rekapitulieren zu können.« Keine Reaktion. »Wenn ich nicht so viel Glück gehabt hätte, wäre ich jetzt tot.«
    Wieder einer dieser langsamen Züge an seiner Zigarette.
    Manche behaupten, es spüren zu können, wenn sich ein Unwetter zusammenbraut. Ihre alten Kriegsverletzungen fangen wieder zu schmerzen an oder ähnliche Dinge. Ich habe das nie gekonnt. Meine Kriegsverletzungen schmerzen ununterbrochen. Doch wenn mir ein Streit mit Terry bevorsteht, dann spüre ich das. Ich spüre es auf meiner Haut und an meinen Nackenhaaren und in meinem Magen. Diesmal aber regte sich auch in mir so etwas wie Wut.
    »Terry! Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
    »Habe ich was verpasst?«
    »Was?«
    »Soll das ein Versuch sein, zu mir zurückzukommen?«
    »Ich bin aus dem Krankenhaus entlassen worden, das ist alles. Was hat man dir gesagt? Hast du denn gar nichts von der ganzen Sache mitbekommen? Ich habe dir so viel zu erzählen. O Gott, das glaubst du mir nie!« Ich musste schlucken, als ich mich das sagen hörte, und korrigierte mich rasch. »Nur dass es natürlich wahr ist.«
    »Ist es dafür nicht ein bisschen spät?«
    »Wie bitte? Anscheinend hast du mir auch einiges zu erzählen. Wo bist du gewesen?«
    Terry stieß ein bellendes Lachen aus und blickte sich um, als müsste er sich vergewissern, ob wir auch wirklich allein waren. Ich schloss einen Moment lang die Augen.

    Vielleicht war alles doch nur ein Traum? Als ich sie wieder öffnete, saß er noch immer rauchend im Korbsessel, und ich stand ihm noch immer gegenüber.
    »Bist du betrunken?«, fragte ich.
    »Was ziehst du hier eigentlich für

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