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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Dr. Beddoes erklärte, sie könne zwar nicht mit Sicherheit sagen, was zwischen Ms. Devereaux und ihrem Freund vorgefallen sei, sie sei aber ganz sicher, dass es sich bei der Entführung um ein Produkt von Ms.
    Devereaux’ Phantasie handle. Sie persönlich sehe darin allerdings keine böswillige Lügengeschichte. Eher einen Hilfeschrei.
    DCI Lovell verkündete, dass in diesem Fall als Erstes zu klären sei, ob Ms. Devereaux nicht angezeigt werden sollte, weil sie die kostbare Zeit der Polizei verschwendet habe.
    Es folgte eine laute Diskussion. DI Cross bemerkte, er sei durchaus noch nicht davon überzeugt, dass die Aussagen von Ms. Devereaux nicht der Wahrheit entsprächen. Professor Mulligan fragte, ob Dr. Beddoes eigentlich bewusst sei, welche Folgen es haben könnte, wenn ihre Diagnose sich als falsch erwiese. Ohne Polizeischutz befände sich Ms. Devereaux in Lebensgefahr. Es folgte erneut eine heftige Diskussion, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden kann.
    Professor Mulligan ließ ins Protokoll aufnehmen, dass er mit der Meinung, die bei dieser Besprechung vorherrsche, nicht einverstanden sei. Er erklärte, dass alle Anwesenden eine Mitschuld tragen würden, falls Ms. Devereaux etwas zustoßen sollte. (Susan Barton ausgenommen; diese Anmerkung wurde auf Wunsch von Professor Mulligan ins Protokoll eingefügt.) Professor Mulligan verließ daraufhin die Versammlung.
    Nun folgte eine Diskussion über die weitere Vorgehensweise. DCI Lovell gab DI Cross den Befehl, die Ermittlungen einzustellen. Dr.
    Beddoes kündigte an,
    umgehend Ms. Devereaux aufzusuchen, um eine geeignete Therapie mit ihr zu besprechen.

    Dr. Beddoes dankte den anderen Anwesenden für ihre Kooperation. Sie sprach von einem Paradebeispiel dafür, wie medizinische und gesetzliche Institutionen zusammenarbeiten sollten. Dr. Burns fragte, ab wann Ms.
    Devereaux’ Bett wieder zur Verfügung stehe.

    DRITTER TEIL

    1
    Geh. Geh, Abbie. Setz einen Fuß vor den anderen. Halt nicht an, bleib nicht stehen, sieh dich nicht um. Kopf hoch und den Blick nach vorn. Lass die Gesichter um dich herum verschwimmen. Tu, als wüsstest du, wohin du gehst. Du hörst deinen Namen, doch es ist nur ein Echo eines Echos, das von den weißen Wänden abprallt. Sie rufen eine Fremde, nicht dich. Hör nicht zu. Das ist nun vorbei, all das Zuhören und Reden und Tun, was dir gesagt wird. Es stets allen Recht machen. Geh weiter.
    Nein, du sollst nicht laufen, du sollst gehen. Durch diese Doppeltür, die leise aufgleitet, wenn du näher kommst.
    Nur keine Tränen. Nicht weinen. Du bist nicht verrückt, Abbie. Du bist nicht verrückt. Vorbei an den Ambulanzen, den Wagen, den Sanitätern mit den Rollbetten. Bleib jetzt nicht stehen. Tritt in die weite Welt hinaus. Das ist die Freiheit, auch wenn du nicht frei bist. Nicht frei und nicht sicher. Aber auch nicht verrückt. Du bist nicht verrückt.
    Und du bist noch am Leben. Atme tief durch und geh weiter.

    Der Himmel war erstaunlich blau, der Boden gefroren. Die ganze Welt glitzerte vor Frost. Meine Wangen und Augen brannten, meine Finger waren von der Kälte schon ganz steif. Unter meinen Füßen, die in albernen, ausgelatschten Schuhen steckten, knirschte der Kies. Mit einer Plastiktüte in der Hand stand ich vor dem hohen viktorianischen Gebäude, in dessen oberstem Stockwerk unsere Wohnung lag – nun, eigentlich war es Terrys Wohnung, aber ich lebte seit fast zwei Jahren dort. Ich war diejenige, die unser Schlafzimmer gestrichen und den Kamin zum Brennen gebracht hatte. Ich hatte Secondhand-Möbel und große Spiegel gekauft, Bilder, Teppiche und Vasen, den ganzen Krimskrams, der aus einer Wohnung erst ein Zuhause machte.
    Vorsichtig legte ich den Kopf in den Nacken und ließ den Blick über die Fassade des Hauses schweifen. Die Bewegung schien den Schmerz in meinem Kopf zum Explodieren zu bringen. Gegenwärtig machte die Wohnung nicht gerade einen einladenden Eindruck. Sie wirkte kalt und leer. Das Badfenster hatte immer noch einen Sprung, und es brannte kein Licht. Die Vorhänge in unserem Schlafzimmer waren zugezogen, was entweder bedeutete, dass Terry noch verkatert, bleichgesichtig und übellaunig im Bett lag, oder dass er sich in der Eile nicht die Zeit genommen hatte, sie aufzuziehen, als er am Morgen viel zu spät aus dem Bett gestolpert war. Ich hoffte, dass Letzteres der Fall war.
    Trotzdem drückte ich zuerst auf den Klingelknopf.
    Wenn ich das Ohr an die Tür legte, konnte ich es weit über mir läuten

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