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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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unterschrieb zahllose Formulare, und die Bankangestellte tippte permanent verschiedene Angaben in den Computer auf ihrem Schreibtisch. Am Ende händigten sie mir mit sichtlichem Widerwillen zweihundert Pfund aus und stellten mir in Aussicht, dass sie mir innerhalb von zwei Werktagen neue Kreditkarten und ein Scheckbuch zuschicken würden –
    wenn ich Glück hätte eventuell bereits am folgenden Werktag. Plötzlich wurde mir bewusst, dass auf diese Weise alles bei Terry landen würde. Ich stand schon im Begriff, sie zu bitten, die Dokumente an eine andere Adresse zu schicken, besann mich dann aber eines Besseren. Wenn ich jetzt auch noch meine Adresse änderte, würden sie mich wahrscheinlich auf der Stelle hinauswerfen. Also stopfte ich das Geldbündel in meine beiden Hosentaschen und ging. Ich hatte das Gefühl, als käme ich aus einem Wettbüro.

    Sobald Robin mich sah, nahm sie mich fest in den Arm, aber ich spürte, dass sie nicht nur besorgt, sondern auch misstrauisch war. Ich verstand durchaus weshalb. Wir sahen aus, als gehörten wir unterschiedlichen Spezies an.
    Sie ist eine dunkelhäutige Schönheit, immer makellos gekleidet und sehr gepflegt. Ich dagegen sah aus wie das, was ich momentan tatsächlich war: eine Obdachlose, die es nicht eilig hatte, an ein bestimmtes Ziel zu kommen.
    Wir trafen uns vor dem Reisebüro, in dem sie arbeitete.
    Sie hatte nirgends für uns reserviert. Ich sagte ihr, dass mir das nichts ausmache. Es machte mir tatsächlich nichts aus.
    Wir gingen in eine italienische Sandwichbar, wo wir uns an der Theke niederließen. Ich bestellte mir einen großen Kaffee und ein Sandwich, das aussah wie ein ganzer Delikatessenladen zwischen zwei Scheiben Brot. Ich hatte einen Bärenhunger. Sie trank nur einen Kaffee. Als sie sich anschickte, für mich mitzubezahlen, ließ ich sie gewähren. Ich musste mit meinem Geld momentan sparsam umgehen, weil ich noch nicht wusste, welche Kosten bei dem Zigeunerleben, das ich nun führte, auf mich zukommen würden.
    »Sadie hat mich angerufen«, bemerkte sie.
    »Gut«, murmelte ich, den Mund voller Sandwich.
    »Ich kann es einfach nicht glauben! Wir sind so entsetzt über das, was dir passiert ist. Wenn ich irgendetwas tun kann, egal, was …«
    »Was hat Sadie dir erzählt?«
    »Nur die groben Fakten.«
    Robin präsentierte mir eine Version meiner Geschichte.
    Es war richtig wohltuend, einmal zuzuhören, statt selbst erzählen zu müssen.
    »Hast du jemanden?« fragte sie, als sie fertig war.
    »Du meinst, einen Mann?«
    »Ich dachte eher an einen Arzt.«
    »Ich war im Krankenhaus.«
    »Aber Sadie hat gesagt, du hättest eine Kopfverletzung.«
    Ich hatte gerade ein großes Stück von meinem Sandwich abgebissen, woraufhin eine Pause entstand, während ich kaute und schluckte.
    »Genau darüber wollte ich mit dir sprechen, Robin.
    Unter anderem. Wie du bereits von Sadie weißt, hatte ich eine Art Gehirnerschütterung. Daraus resultierten meine Probleme mit den Ärzten und der Polizei. Deshalb möchte ich unter anderem versuchen zu rekonstruieren, was in der Zeit meiner Gedächtnislücke passiert ist. Es ist mir etwas unangenehm, dir davon zu erzählen, aber mir war beispielsweise nicht mehr klar, dass ich Terry verlassen hatte. Endlich ringe ich mich zu einer der besten Entscheidungen meines Lebens durch, und dann vergesse ich sie wieder. Einmal angenommen, ich wäre ein Fahnder auf der Suche nach einer Vermissten und würde dich fragen, wann du Abbie Devereaux das letzte Mal gesehen hast, was würdest du antworten?«
    »Wie bitte?«
    »Wann hast du mich zum letzten Mal gesehen, Robin?
    Das ist doch wirklich keine schwierige Frage!«
    »Nein, da hast du Recht.« Sie überlegte einen Augenblick.
    »Ich wusste, dass du Terry verlassen hattest. Wir haben uns am folgenden Tag getroffen, am Sonntag. Am späten Vormittag.«
    »Warte mal. Am Sonntag, dem dreizehnten Januar?«

    »Ja. Wir waren in der Kensington High Street beim Shoppen. Daran musst du dich doch erinnern.«
    »Nein, beim besten Willen nicht. Was habe ich gekauft?«
    Sie starrte mich entgeistert an.
    »Du kannst dich wirklich nicht erinnern? Nun ja, ich habe mir phantastische Schuhe gekauft. Sie waren auf fünfunddreißig Pfund heruntergesetzt, von absurden hundertsechzig.«
    »Und ich?«
    Robin lächelte.
    »Jetzt erinnere ich mich wieder. Wir hatten am Vorabend telefoniert. Da hast du dich ein bisschen überdreht angehört, aber an dem Vormittag ging es dir gut.
    Wirklich gut. So gut gelaunt hatte

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