In sündiger Silvesternacht
Seine Hoffnung, sie würden ihn dann nicht mehr als Versager ansahen, hatte sich leider nicht erfüllt. Er begriff nicht, wieso die Beziehung zu seinen Eltern so kompliziert war.
Bei Claire konnte er sich nicht vorstellen, dass sie es jemals darauf anlegen würde, ihn wie einen Idioten oder einen Versager dastehen zu lassen. Und ganz bestimmt würde sie auch ihre Kinder nicht als Versager abstempeln.
Wieso malte er sich plötzlich aus, Kinder mit Claire zu haben? Ty verdrängte den Gedanken und klinkte sich geistig wieder in den Redefluss seiner Mutter ein, die ihm gerade versicherte, sein Vater und sie wüssten es natürlich zu schätzen, dass er ihre Raten bezahlte, sie würden sich lediglich wünschen, dass er sein Geld auf anständigere Art verdienen könnte als mit diesen Clubs.
„Mit ehrlicher Arbeit, Ty. Bei deinen Schwierigkeiten hättest du auf dem Bau anfangen sollen.“
„Entschuldige bitte, wenn ich mein Leben so führe, wie es mir gefällt.“
„Willst du denn tatsächlich immer in der Zeitung auftauchen? Gefällt es dir, wenn deine Freundin vor aller Welt als Schlampe hingestellt wird? Das arme Ding ist die Tochter eines Senators. Sie stirbt bestimmt vor Scham.“
Weil seine Mutter damit der Wahrheit zu nahe kam, richtete Ty sich auf. „Hör mal, Mom, es war wie immer sehr schön, von dir zu hören, aber ich bekomme gerade einen Anruf auf der anderen Leitung.“
Er legte auf, ließ sich in seinen Stuhl sinken und schloss die Augen. Inständig hoffte er, dass sich alles zum Positiven wendete. Widerwillig musste er seiner Mutter recht geben. Diese dämlichen Fotos in den Internet-Blogs waren für Claire sicher die reinste Hölle.
9. KAPITEL
„Mr Thatcher ist jetzt bereit, Sie zu empfangen.“
Das Lächeln der Sekretärin war nichtssagend, und Claire hatte immer noch keine Ahnung, was ihr bevorstand.
„Claire!“ Mit ausgestreckter Hand begrüßte Malcolm Thatcher sie an der Tür, während Errol Dain hinter ihm aufstand. „Wie schön, dass Sie heute Zeit haben. Wir wollten Sie nicht während Ihres Urlaubs behelligen.“
„Ich wollte lieber jetzt kommen als erst nächste Woche.“ Sie atmete tief durch und lächelte. „Um alles zu klären.“
Als die beiden Männer einen Blick tauschten, wusste Claire, dass es um die Fotos ging.
„Setzen Sie sich doch bitte, meine Liebe. Ehrlich gesagt wollten wir Ihnen nur versichern, dass wir hundertprozentig hinter Ihnen stehen.“
„Hundertprozentig“, wiederholte Dain bekräftigend.
„Jeder Mensch macht mal Fehler.“
„Das kann jedem passieren“, pflichtet Dain ihm bei.
„Wir Juristen verstehen das nur zu gut.“
„Es ist eine Frage des Vorsatzes.“ Dain hob eine Hand. „Sicher haben Sie nicht beabsichtigt, dass diese unseligen Fotos in die Öffentlichkeit gelangen.“
„Ich habe nicht einmal beabsichtigt, dass jemand sie schießt.“ Claire lächelte säuerlich.
„Absolut richtig.“ Thatcher blickte Dain tadelnd an, als wäre Claire seine Musterschülerin. „Meine Rede. Hätten Sie das geahnt, wären Sie nicht einmal in diesen Club gegangen.“
„Also haken wir das Ganze als einmalige Fehleinschätzung ab.“
Die Hoffnung, die bereits in ihr aufgekeimt war, erstarb schlagartig. „Sie meinen Ty Coleman, stimmt’s?“
„Ganz bestimmt ist er ein netter Mann, aber Sie haben ganz offensichtlich Ihren Ruf zu schützen.“
„Genau wie Sie.“ Claires Stimme klang tonlos.
„Selbstverständlich.“
„Verstehe.“ Lächelnd stand sie von ihrem Stuhl auf. „Dann hätten wir fürs Erste ja alles geklärt. Ich … ja, ich schätze, dann sehe ich Sie beide im Juli wieder.“
„Wunderbar.“
„Wir freuen uns darauf.“ Dain war die Liebenswürdigkeit in Person.
„Sie werden für unsere Kanzlei eine echte Bereicherung sein, Claire, und eines Tages werden Sie auf dem Richterstuhl sitzen.“
Sie atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. „Das habe ich vor, Sir.“ Die Erfahrungen, die sie in einer Kanzlei wie dieser sammeln konnte, würden sie auf ihrem Weg ein gutes Stück nach vorn bringen, doch während die beiden Männer sie zurück zum Fahrstuhl begleiteten, konnte Claire an nichts anderes denken als daran, dass sie Ty aufgeben musste.
Mit diesem Mann konnte sie ihre Zukunft in der Juristerei vergessen, aber sie wollte sich ihre Zukunft nicht selbst verbauen. Als die Fahrstuhltüren sich schlossen, machte Claire die Augen zu und tat, wonach ihr schon während des kurzen Gesprächs gewesen war: Sie
Weitere Kostenlose Bücher