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In sündiger Silvesternacht

In sündiger Silvesternacht

Titel: In sündiger Silvesternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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ging stoßweise.
    Sie fühlte Nässe auf ihrer Haut und wusste, dass er weinte. Ihr stiegen ebenfalls Tränen in die Augen, doch sie blinzelte sie fort und hielt ihn einfach nur fest. Ihre Hände zogen beruhigende Kreise auf seinem Rücken.
    Nach einer Weile atmete er tief und regelmäßig. Elizabeth strich ihm das Haar aus der Stirn und schaute in sein Gesicht, das selbst im Schlaf noch immer angespannt vor Qual war.
    Was immer geschehen sein mochte, es berührte sie tief, dass er zu ihr gekommen war. Sie hörte nicht auf die warnende Stimme in ihrem Kopf. Nathan brauchte sie jetzt. Das war das Einzige, was zählte.

8. KAPITEL
    Nathan erwachte in der Dunkelheit. Elizabeths Brust hob und senkte sich unter seiner Wange. Es dauerte einen Augenblick, bis die Erinnerung zurückkehrte. Sein Gesicht brannte vor Scham, als er daran dachte, wie er an ihre Tür geklopft und sich dann wie ein Verrückter auf sie gestürzt hatte. Was mochte sie nur über ihn denken? Ein Wunder, dass sie ihn nicht hinausgeworfen hatte.
    Vorsichtig löste er sich von ihr und rollte sich auf den Rücken. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er die Beherrschung verloren hatte. Und wie. Seit den ersten Tagen nach dem Unfall war er kein solches Nervenbündel mehr gewesen.
    „Wie fühlst du dich?“, fragte Elizabeth sanft.
    Er verkrampfte sich innerlich. Um ihnen beiden die Peinlichkeit zu ersparen, sich nach seinem Zusammenbruch in die Augen sehen zu müssen, hatte er eigentlich fort sein wollen, ehe sie aufwachte.
    „Möchtest du Wasser? Vielleicht Aspirin?“
    „Es geht mir gut. Danke.“
    Nach kurzem Schweigen hörte er sie einatmen. „Möchtest du darüber reden?“
    Er lächelte bitter. Ob er darüber reden wollte? Die Millionenfrage. Jeder, der sich sein Freund nannte, war in jenen Tagen versessen darauf gewesen zu reden, wohingegen er einfach nur vergessen wollte.
    Doch er konnte sich nicht einfach anziehen und verschwinden, nachdem er wie ein Baby in Elizabeths Armen geweint hatte. Er schuldete ihr wohl eine Erklärung.
    „Tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe. Es wird nicht wieder vorkommen.“
    „Ich habe nicht um eine Entschuldigung gebeten, Nathan. Aber wenn du nicht reden möchtest, verstehe ich das.“
    Tröstend ergriff sie seine Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen, ohne noch etwas zu sagen.
    Wieder drohte ihn der Schmerz zu überwältigen. Nathan schluckte schwer und starrte an die Decke. „Ich hatte einen Autounfall“, begann er. „Vor sechs Monaten. Ich fuhr mit meiner kleinen Schwester Olivia von der Insel nach Melbourne zurück. Auf der Straße war eine Ölspur. Der Wagen kam ins Schleudern …“
    Elizabeth drückte seine Hand, und er atmete tief durch.
    „Wir prallten gegen einen Baum. Das Auto … das Auto wurde zusammengequetscht wie eine Ziehharmonika. Ich wurde am Kopf verletzt, blieb eine Weile bewusstlos. Olivia …“
    Ihm versagte die Stimme.
    „Du musst nicht darüber sprechen. Es ist okay“, flüsterte Elizabeth.
    „Ich möchte es aber.“
    Er brauchte einige Anläufe. Verzweifelt hielt er ihre Hand fest, während er ihr erzählte, wie er aufgewacht war und Olivia von Metall durchbohrt gefunden hatte. Wie blutverschmiert ihr Gesicht, wie eiskalt ihre Hand gewesen war. Wie sie gewimmert und geschrien hatte. Wie er nichts hatte tun können, weil er hilflos hinter dem Steuer eingeklemmt gewesen war.
    Als er zum Ende der Geschichte kam, stockte er. Er brachte es nicht über sich, darüber zu reden, wie Olivia ihn angefleht hatte, etwas zu tun, damit der Schmerz aufhörte – bis sie ganz still geworden war und ihr rasselnder Atem endgültig verklungen war. Und wie er ihre Hand umklammert gehalten hatte, bis die Rettungskräfte ihn aus dem Wrack schnitten und ihn zwangen, die Hand loszulassen.
    Elizabeth rollte sich auf die Seite, legte die Arme um ihn und drückte ihn fest. Lange sagte keiner von ihnen ein Wort. Dann hob sie ihr Gesicht und küsste seine Stirn.
    „Es tut mir leid. Natürlich ist das armselig und ändert nichts. Aber es tut mir von Herzen leid, dass deine Schwester gestorben ist. Und es tut mir leid, dass du mit den Erinnerungen leben musst. Ich kann nur ahnen, wie schwer das für dich sein muss.“
    Er hatte es ihr nicht erzählt, weil er Mitleid erheischen wollte. Er hatte es nur getan, damit sie verstand, warum er mitten in der Nacht an ihre Tür gehämmert hatte und versucht hatte, in ihren Armen Vergessen zu finden.
    Dennoch taten ihm die ruhigen, ehrlichen Worte

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