In sueßer Ruh
für immer bleiben: Was immer seine Mutter in dieser schrecklichen Zeit, in dieser großen Tragödie in ihrem Leben, brauchte – es war nicht er.
KAPITEL 15
Die Morgensonne fiel schräg durch das einzelne große Fenster von Chuck Mortons Büro und tauchte den Raum in einen sanften goldenen Schimmer. Es war ein warmer, freundlicher Septembermorgen, doch Detective Leonard Butts, der gähnte und sich die Augen rieb, bekam von dem herrlichen Tag offensichtlich nichts mit.
Elena Krieger zog ihre gezupften Augenbrauen hoch und betrachtete ihn mit verschränkten Armen kritisch. »Schlafstörungen, Detective?«
»Nö«, erwiderte er und schenkte sich einen Kaffee ein, »ich schlafe wie ein Murmeltier. Bin aber letzte Nacht lange aufgeblieben, um ein bisschen über diese Steampunk-Szene zu recherchieren.«
»Und was haben Sie rausgefunden?«
»Eines kann ich Ihnen sagen: Die fahren auf ziemlich schräge Schei- … äh, Sachen ab«, sagte er mit einem Blick auf Krieger.
Lee lächelte. Ihre Anwesenheit hatte Butts Sprache radikal gesäubert. Tatsächlich standen sie in ihrer Gegenwart alle ein bisschen gerader und drückten sich gewählter aus. Irgendetwas an ihr brachte Männer dazu, sich wie kleine Jungs zu fühlen: ungezogen, verwirrt – und geil. Seine Beziehung zu Kathy befand sich noch immer in den Anfangswallungen der Verliebtheit, trotzdem war es unmöglich, Kriegers physische Präsenz zu ignorieren. Nicht allein wegen ihrer Schönheit, sondern die ihr eigene Kombination aus Androgynität und weiblicher Verführungskraft war berauschend und gelegentlich ablenkend.
Als Sergeant Ruggles Mortons Büro betrat, war nur zu offensichtlich, dass er lediglich in Kriegers Nähe sein wollte. Unter dem Vorwand, Unterlagen zu holen, fuhrwerkte er in den Aktenschränken herum, aber Lee sah, wie ihm die Röte den Nacken hinaufkroch, während er Mappen und Berichte durchblätterte. Ruggles hat es am schlimmsten erwischt, dachte Lee. In Kriegers Gegenwart wurde ein stammelnder Idiot, ein verliebter Schuljunge aus ihm. Es war beschämend mitanzusehen.
»Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein, Sergeant?«, fragte Butts und ließ sich mit seinem Kaffee nieder.
»Nein, vielen Dank, Sir – ich habe, weswegen ich hergekommen bin«, antwortete Ruggles und schwenkte eine Aktenmappe.
»He, Ruggles, stimmt das, dass Sie in einer Steampunk-Band gespielt haben?«, fragte Butts.
»Ich fürchte, ja«, gab Ruggles zurück und wurde knallrot.
»Dafür müssen Sie sich doch nicht schämen«, lachte Butts. »Mein Kleiner hätte für sein Leben gern ’ne Garagenband. Das einzige Problem ist, dass wir keine Garage haben.«
»Ja, Sir – verstehe, Sir.«
»Haben Sie denn in einer Garage geprobt?«
»Es war eher eine Art – eine Lagerhalle, würden Sie es nennen.«
Butts kratzte sich am Kinn. »Im Ernst? Vielleicht sollte ich meinem Kleinen sagen, dass er sich mal nach einer Lagerhalle in New Jersey umsehen soll.«
Ruggles hustete und schaute in die Runde, als wollte er noch etwas sagen. Dann zog er sich, mit seiner schwitzigen Hand noch immer die Mappe umklammernd, im Rückwärtsgang aus dem Zimmer zurück. »Verzeihen Sie die Störung«, sagte er. »Machen Sie ruhig weiter.«
Als er gegangen war, sah Butts Lee an und verdrehte die Augen. Krieger bemerkte es und fragte stirnrunzelnd: »Was ist denn? Habe ich was nicht mitbekommen?«
Butts brach in Gelächter aus. »Sie haben so ziemlich gar nichts mitbekommen.«
Sie wandte sich zu Lee um. »Was ist denn so lustig?«
Er kam um die Antwort durch den hereinkommenden Chuck herum, der erschöpft und wütend aussah.
»Was ist los?«
Chuck knallte eine Zeitung auf den Schreibtisch. »Herrgott!«, murmelte er. »Ich weiß nicht, woher das stammt, aber wenn ich’s rauskriege, fliegen die Fetzen!«
Lee schaute auf die Titelstory. Die Schlagzeile schwappte über die ganze Seite:
Van-Cortlandt-Vampir schlägt zu –
Mädchen ausgeblutet in Park abgelegt
Er sah Chuck an, dessen gewöhnlich blasses Gesicht sich rot verfärbt hatte.
»Irgendwer hat Einzelheiten des Falls durchsickern lassen.«
»Mist«, sagte Butts, als er die Schlagzeile las. »Wer zum Teufel würde das tun?«
»Das wüsste ich auch gern«, erwiderte Chuck mit einem Seitenblick auf Krieger.
Sie schnaubte vor Empörung. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich so was täte?«
»Im Augenblick habe ich keine Verdächtigen«, gab Chuck ruhig zurück. »Aber wenn ich rausfinde, wer die undichte Stelle ist, rollen
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