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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Köpfe.«
    »Schön, dann schauen Sie nicht mich an«, fauchte sie.
    Lee sah sich im Raum vor dem Büro um. Außer ihnen vier hier drinnen gab es dort nur sehr wenige Leute, die die Details des Falls kannten – das heißt bis jetzt.
    »Solange ich als Verdächtige gelte, dürfte ich fragen, warum das so eine Katastrophe ist?«, sagte Krieger. »Mein Fachgebiet ist Linguistik, deshalb muss ich mehr über Ermittlungsmethoden lernen.«
    »In erster Linie wollen wir keine Panik erzeugen«, erklärte Chuck und schenkte sich einen Kaffee ein. »Letztes Jahr war alles schon schlimm genug.«
    Er musste nicht deutlicher werden; sie wussten alle, was er meinte.
    »Außerdem wollen wir keine Trittbrettfahrer«, merkte Butts an. »Irgendein Depp, der seine Freundin nach einem Streit umgebracht hat, könnte auf die glorreiche Idee kommen, ihr das Blut abzuzapfen. Um uns in die Irre zu führen und sich die Polizei vom Hals zu halten.«
    »Und dann versuchen wir, falsche Geständnisse zu vermeiden. Und es einfacher zu machen, den Mörder in eine Falle zu locken, sollten wir das Glück haben, ihn für eine Befragung einzukassieren«, ergänzte Lee.
    »Genau«, meinte Butts, »aber wenn jeder Idiot da draußen sämtliche Einzelheiten des Falls kennt, haben wir nichts, was die Öffentlichkeit nicht auch hat.«
    »Nachrichtenkontrolle – also was man der Presse erzählt und wann – spielt eine entscheidende Rolle bei jeder Ermittlung«, schloss Chuck. »Beantwortet das Ihre Frage, Detective?«
    »Ja, das tut es«, gab sie steif zurück.
    »Sehen Sie«, sagte Chuck müde, »ich weiß nicht, wie die Presse an diese Information gekommen ist. Aber sobald sie sie mal hatte, konnte man darauf wetten, dass sie damit rauskommen.«
    »Eine Story um jeden Preis, richtig?«, seufzte Butts.
    Lee hatte da so eine Ahnung, wer die undichte Stelle sein könnte. Aber ohne Beweis konnte er es nicht mit Bestimmtheit wissen. Und wenn es ihm gelang, seinen Verdacht zu erhärten, was dann? Es war eine Wahl zwischen Pest und Cholera.

KAPITEL 16
    »Wir könnten uns am Poe Rock treffen«, schlug Kathy vor.
    Lee war gerade aus Chucks Büro zurückgekommen und hatte es sich in seinem roten Lieblingssessel zu Hause bequem gemacht, als sie aus Downtown anrief, wo sie die ganze Woche mitgeholfen hatte, die Überreste der Opfer der Anschläge auf das World Trade Center zu identifizieren.
    »Aus irgendeinem besonderen Grund?«, fragte er.
    »Es ist romantisch.«
    »Wir könnten uns im Edgar’s treffen.«
    Das Edgar’s war ein Café auf der Upper West Side, wo der Dichter Edgar Allan Poe auch einige Zeit gelebt hatte. Poe Rock war ein massiver Felsbuckel im Riverside Park südlich der Poe Street. Eigentlich hieß er Mount Tom, doch die New Yorker kannten ihn als Poe Rock, weil der Schriftsteller beschrieben hatte, wie er auf der gewaltigen Steinplatte aus Felsgestein saß und auf Inspiration wartete. Natürlich hatte es zu seiner Zeit noch keinen Park gegeben, aber Lee stellte sich immer vor, dass die Landschaft ihren eigenen ländlichen Charme gehabt hatte, weniger inszeniert als später unter Frederick Law Olmsted, New Yorks berühmtem Landschaftsarchitekten.
    »Treffen wir uns doch auf dem Felsen«, sagte sie. »Um sieben – komm nicht zu spät. Wir können uns den Sonnenuntergang anschauen. Und anschließend ins Edgar’s gehen.«
    »Okay.«
    Er legte auf und lehnte sich in dem roten Sessel mit den abgewetzten Armstützen zurück, deren Leder durch jahrelangen Gebrauch zu einem vergilbten Rostrot verblichen war. Wahrscheinlich sollte er ihn entsorgen, doch er brachte es nicht übers Herz, ihn rauszuschmeißen. Laura hatte diesen Sessel geliebt, und wenn sie vorbeikam, hatte sie sich gerne, in eine alte Wolldecke gehüllt, darin zusammengekringelt und eine Tasse Tee auf ihren Knien balanciert. Mitunter fragte er sich, ob sein ursprüngliches Hingezogensein zu Kathy daran lag, dass sie ihn an seine Schwester erinnerte – das gleiche wellige dunkle Haar, das gleiche entschlossene, spitze Kinn. Aber je besser er Kathy kennenlernte, desto stärker begann er sie um ihrer selbst willen zu schätzen.
    Sie war voller romantischer Vorstellungen, doch auch das war eines der Dinge, die er an ihr mochte – diese überraschenden, verrückten Ideen wie die, sich am Poe Rock zu treffen. Es brachte ihn einfach ein bisschen aus dem Gleichgewicht. Bei Susan war das meist der Fall – bei ihr war er zugleich allerdings auch auf der Hut. Wenn sie irgendetwas Impulsives tat,

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