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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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(und am Leben) auf eine Weise Freude zu haben, die Elena Krieger unbegreiflich war. Sie glaubte nicht, dass das Leben zum Vergnügen da war. Es war weder ein Sport noch ein Zeitvertreib – sondern eine Aufgabe, die man entweder gut oder schlecht erledigte.
    Und was man zur Erledigung einer Aufgabe brauchte, war Disziplin. Detective Butts mangelte es derartig an dieser Tugend, dass es ihr den Atem verschlug. Manchmal tauchte er bei Besprechungen auf und sah aus, als hätte er in seinen Kleidern geschlafen. Manchmal war er unrasiert. Und am schlimmsten war, dass er sich generell irgendetwas Essbares in die Jackentaschen gestopft hatte. In diesen dreckigen Taschen würde sie nicht mal ein benutztes Taschentuch aufbewahren, geschweige denn Lebensmittel – seine Jacketts sahen immer aus, als hätten Mäuse darin gehaust. Allein der Gedanke ließ sie erschauern. Manche hätten vielleicht gesagt, Elena Krieger leide an einer Zwangsstörung. Sie hingegen hielt sich lieber für jemanden, der Wert auf Hygiene legte.
    Sie seufzte, warf sich die Umhängetasche über den muskulösen Rücken und riss den Wohnungsschlüssel vom Haken im Flur. Nachdem sie die Tür zweimal abgeschlossen hatte, verließ sie das Gebäude und ging zur U-Bahn. Es würde ein langer Tag werden.
    Als sie in der Bronx aus der U-Bahn stieg, hatten die Bäume alle schon dieses stumpfe, das Ende des Sommers ankündigende Aussehen, fast stärker noch als in Park Slope, wo sie wohnte. Sie war kürzlich umgezogen und konnte sich die Miete in einem der schicksten Viertel Brooklyns eigentlich nicht leisten, aber es gefiel ihr dort. Es war zwar nicht mehr absolut angesagt, dieses Etikett hatten seit einer Weile Williamsburg und Dumbo, das Viertel unterhalb der Manhattan Bridge, an sich gerissen. Dafür gab es in Park Slope eine lebendige schwule und lesbische Szene. Elena war zwar nicht festgelegt, betrachtete sich jedoch als Lesbe. Deshalb fühlte sie sich in Brooklyn zu Hause. Und natürlich befanden sich im Umfeld einer homosexuellen Szene immer auch gute Restaurants. Nicht dass Elena viel Zeit oder das Geld gehabt hätte, um häufig auswärts essen zu gehen, es gefiel ihr jedoch zu wissen, dass es sie gab.
    Sie ging die wenigen Blocks bis zum Gebäude des Morddezernats und betrat den Empfangsbereich. Im rückwärtigen Teil des Raums saß wie immer Sergeant Ruggles, Chuck Mortons stets treu ergebener diensthabender Beamter. Vornübergebeugt, die Augenbrauen konzentriert zusammengekniffen, studierte er ein vor ihm auf dem Schreibtisch liegendes Schriftstück. Ruggles. Irgendwie passte der Name zu ihm. Sie stellte fest, dass sie keine Ahnung hatte, wie er mit Vornamen hieß – es war ihr bis jetzt nie in den Sinn gekommen, dass er einen haben könnte. Wenn sie an ihn dachte, war er einfach Ruggles. Er hob den Kopf, als sie näher kam, und auf seinem Gesicht breitete sich ein vergnügtes Lächeln aus.
    »Guten Morgen, Detective Krieger«, rief er gut gelaunt und erhob sich halb von seinem Stuhl.
    »Guten Morgen, Sergeant«, erwiderte sie, um einen Tonfall bemüht, der freundlich, aber nicht verführerisch klingen sollte. Elena Krieger war sich ihrer Wirkung auf Männer durchaus bewusst, und obwohl sie hart daran arbeitete, verführerisch zu sein, arbeitete sie gleichermaßen hart daran, sie nicht unnötig zu ermuntern. Ihre Sexualmoral war genauso wohldurchdacht wie alle anderen Bereiche ihres Lebens. Sie glaubte an Verantwortung, und eine der ihren bestand ihrer Ansicht nach darin, mit den Gefühlen anderer nicht zu spielen.
    Es war nur zu offensichtlich, dass Sergeant Ruggles von ihr angetan war. Er trug sein Herz nicht bloß auf der Zunge, es war ihm vielmehr auf die Stirn tätowiert. Was seine Gefühle für sie anging, schien er keinerlei Stolz zu haben. Er schwärmte für sie und lief ihr nach wie ein erwartungsvolles Hündchen. Manchmal verspürte sie den Drang, ihm den Kopf zu tätscheln oder ihn hinter den Ohren zu kraulen. Es war schon wirklich rührend, aber auch ein bisschen nervtötend. Er war gut dreißig Zentimeter kleiner als sie, zehn Jahre jünger und stammte unübersehbar aus der Arbeiterklasse.
    Hildegard Elena Krieger von Boehms deutsche Familie hatte auf beiden Seiten blaues Blut, und sie hielt es für eine Verpflichtung ihren Vorfahren gegenüber, einen Partner gleichermaßen erlauchter Abstammung zu finden. Sie betrachtete das nicht als Snobismus, sondern hielt es als eine Nachfahrin von Königen, Adligen und Kriegsherren für ihre

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