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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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das Haus. Manchmal sprach sie verträumt davon, irgendwo auf Schottlands Äußeren Hebriden ein »winziges Cottage« zu besitzen – auf den Orkneys vielleicht oder den Shetlands –, mit einer kleinen Schafherde und »einem winzigen Border Collie« als Wachhund.
    Er duckte sich, um durch die Wohnzimmertür zu treten, in dem Drucke impressionistischer Stillleben und englischer Jagdszenen hingen. Fiona Campbell war niemand, der Familienfotos aufstellte. Selbst vor Lauras Tod hatte Lee kaum je Bilder von Freunden oder Verwandten im Haus gesehen. Es gab ein paar Abzüge von Kylie, die mit Magneten am Kühlschrank befestigt waren, aber das war es auch schon.
    Seine Mutter setzte den Kessel auf und arrangierte sorgfältig ein Dutzend Ingwerplätzchen auf einem Teller aus altem Chinaporzellan mit blauem Dekor. Sie liebte die Dinge so und nicht anders und hatte einen vorzüglichen Geschmack. Keine Haushaltsauflösung im Umkreis von hundert Meilen war vor ihr sicher. Ihr Instinkt war bemerkenswert. Sie konzentrierte sich auf die günstigsten Angebote unter den besten Stücke und handelte den Verkäufer anschließend herunter. Sie bekam immer, was sie wollte.
    »Nun denn, wie geht es dir?«, fragte sie, nachdem sie sich auf der vorderen Terrasse niedergelassen hatten. »Du siehst schmal aus.«
    »Mir geht es gut«, sagte er.
    »Isst du genügend?«
    »Ja, Mom, ich esse genügend.«
    Es war ein kleines Spiel zwischen ihnen, ein Ritual, das über die Jahre unverändert geblieben war. Sie sagte, er sehe schmal aus und müsse mehr essen, worauf er erwiderte, es gehe ihm gut und er habe ausreichend Appetit. Draußen auf dem Vorplatz rang Kylie mit dem Hula-Hoop-Reifen.
    »Weniger Bewegung, Kylie!«, rief ihr seine Mutter zu. »Wackel nicht so stark mit den Hüften!«
    Seine Nichte verdrehte die Augen und warf den Reifen zur Seite. Dann rannte sie zur Schaukel unter der ausladenden Eiche und spielte dort weiter.
    »Als du gestern Abend angerufen hast«, sagte er, »hatte ich den Eindruck, du hättest etwas auf dem Herzen.«
    Seine Mutter schaute über die abfallende Rasenfläche, die zum Brunnenhaus hinunterführte. Am Bachufer wuchs wilde Brunnenkresse, und Laura hatte es geliebt, sie für Salate zu pflücken, als sie in Kylies Alter war.
    »Ich mache mir ein wenig Sorgen um Kylie.«
    Er übersetzte insgeheim: Sie machte sich große Sorgen.
    »Warum?«
    »Sie hat über Laura gesprochen.«
    »Nämlich?«
    »Sie hat gefragt, wann sie wiederkommt.«
    Sie senkte die Stimme, obwohl Kylie um die Ecke der Remise verschwunden war, um Sayeed, der ruppigen weißen Perserkatze der Nachbarn, nachzujagen. Kylie liebte Katzen.
    »Was hast du ihr gesagt?«
    »Die Wahrheit – dass ich es nicht weiß«, antwortetet sie mit einer Stimme irgendwo zwischen einem Seufzer und einem Schluchzen. Lee wusste, dass sie es hasste, über Lauras Verschwinden zu sprechen. Sie zog es vor, das Thema unerwähnt zu lassen, bis zu dem Tag, an dem sie wieder zurückkehrte (ein Tag, von dem seine Mutter überzeugt zu sein schien, dass er kommen würde).
    »Möchtest du, dass ich mit ihr spreche?«
    In einer für sie untypischen Geste packte sie seinen Arm. Ihr Griff war fest, äußerst entschlossen. »Sag ihr nicht, dass ihre Mutter tot ist! Kannst du mir das versprechen?«
    »Sieh mal, Mom –«, setzte er an. Der Streit zwischen ihnen war immer der gleiche. Sie glaubte, Laura würde eines Tages wiederkommen, wohingegen er davon überzeugt war, dass sie schon lange tot war. Er verstand ihr Bedürfnis nach Hoffnung, aber er hatte es satt, dass sie sich sperrte, sich dem zu stellen, was er als offensichtliche Tatsache betrachtete.
    Sie wurden durch die Ankunft von Stan Paloggia unterbrochen, Fionas unmittelbarem Nachbarn und Freund – zumindest in seinen Augen. Sie beharrte darauf, zu alt für solche Sachen zu sein, doch Lee wusste, dass sie lediglich versuchte, ihn auf Distanz zu halten. Ihr Vertrauen in Männer hatte an dem Tag geendet, als ihr Mann sie verlassen hatte.
    Aber Stan war ziemlich zuverlässig. Der kleine, stämmige Italiener unterschied sich auf denkbar größtmögliche Weise von dem groß gewachsenen, eleganten Duncan Campbell. Stan war Sohn eines Fleischers und stolz darauf, außerdem war er handwerklich sehr geschickt. Und unsterblich in Fiona verliebt.
    »Hallo!«, brüllte er über den Rasen. »Sieht so aus, als käme ich pünktlich zum Tee!«
    »Ganz recht!«, rief Lee zurück, obwohl ihm Stan eher wie ein Kaffeetrinker vorkam.
    In großen

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