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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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wieder beruhigte und ihn fest in seinen alten Armen hielt.
    Er erwachte vom Geruch von Kaffee und gebratenem Speck. Er stolperte hinunter, wo Fiona am Herd stand, Kaffee aus einem blauen Kaffeebecher nippte und dabei Speckstreifen in der schweren Gusseisenpfanne briet, die sie schon benutzte, seit er denken konnte. Der Becher war ein Geschenk von ihm. Er hatte ihn ihr, als er zehn war, einmal zu Weihnachten gekauft, weil sein Muster dem Schottenkaro ihrer Familie ähnelte. Er fand es rührend, dass sie ihn noch immer in Gebrauch hatte. Tat sie es seinetwegen?, fragte er sich.
    Er drückte ihr einen Kuss auf die noch straffe Wange und schlurfte durch die Küche, um sich Kaffee aus der Cafetière zu holen.
    »Gut geschlafen?«, fragte sie und wendete mit einer Gabel geschickt einen Speckstreifen.
    »Wie ein Stein«, sagte er. Und es stimmte. Normalerweise wimmelte es in seinem Kopf nur so von Bildern, wenn er aufwachte, heute konnte er sich jedoch an keinen einzigen Traum erinnern – nicht einmal daran, überhaupt geträumt zu haben.
    »Schön«, sagte sie und spießte einen weiteren Streifen Speck auf.
    »Wo ist Kylie?«, erkundigte er sich und schenkte sich eine große Tasse Kaffee ein. In seinem Kopf drehte sich alles, und ihm war, als hätte er tagelang und nicht nur sieben Stunden geschlafen.
    »Sie ist zu Meredith rüber zum Spielen.«
    Er setzte sich mit dem Rücken zu ihr an den Küchentisch. Fiona stellte in eisigem Schweigen einen Teller Eier und Speck vor ihn hin, dann kehrte sie wieder an den Herd zurück. Lee hörte lautere Aufräumgeräusche als gewöhnlich – wie besessen und mit voller Kraft. Er sah auf seinen Teller, die Eigelbe neben den Speckstreifen waren fest. Sie wusste, dass er sie lieber flüssig mochte, aber sie hatte Angst vor Salmonellen, deshalb briet sie sie immer zu lange. Aber er hatte ohnehin keinen Hunger. Er nahm seinen Kaffee, ging zu ihr und sah ihr dabei zu, wie sie mit zusammengekniffenen Lippen die Herdplatte schrubbte, die Pfanne mit einer Hand anhob und ihre Finger sich in den Putzschwamm bohrten.
    »Was stimmt denn nicht?«, fragte er.
    Zu seiner Überraschung ließ sie die Pfanne los und schlug die Hand vor den Mund.
    Erschrocken stand er auf und machte einen Schritt auf sie zu. »Was ist denn? Was ist los?«
    Sie schaute ihn an, und es war unübersehbar, dass sie geweint hatte. »Weißt du nicht, welcher Tag heute ist?«
    Da fiel es ihm ein. Er hatte vorsätzlich versucht, es zu vergessen, doch jetzt, wo sie es ansprach, wusste er es natürlich.
    »Oh, richtig. Tut mir leid – ich hab’s vergessen.«
    »Sechs Jahre ist es heute her. Ich wünschte nur, ich könnte es auch vergessen.« Sie klang verbittert, was ihr gar nicht ähnlich sah.
    »Es tut mir leid, Mom –«
    »Nein, ist schon gut. Ich beneide dich, wirklich.« Sie drehte sich zur Spüle um und nahm die Pfanne wieder zur Hand, aber er packte ihren Arm.
    »Komm schon, Mom, lass das doch jetzt.«
    Sie entzog sich ihm. »Es muss gemacht werden.«
    »Aber nicht jetzt sofort. Wir sollten reden.«
    »Da gibt es nichts zu sagen. Sie ist fort, und wir müssen das einfach akzeptieren.«
    »Aber wir wissen es doch nicht mit Sicherheit – was, wenn sie nicht für immer fort ist?«
    Zutiefst vorwurfsvoll schaute sie ihn an. »Das glaubst du doch nicht eine Sekunde lang.«
    »Aber du.«
    Sie wandte sich ab. Fiona Campbell hasste es, wenn jemand sie weinen sah. Er hörte, wie sie versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Als sie sprach, klang ihre Stimme brüchig, besiegt. »Eigentlich nicht. Nicht mehr.«
    Er war verblüfft. War ihr Glaube, ihre Gewissheit all die Jahre nur eine Pose gewesen? Wann hatte sie aufgehört, daran zu glauben? Hatte er sie am Ende überzeugt? Er hatte immer gedacht, froh zu sein, wenn dieser Tag käme, aber alles, was er empfand, war eine unendliche Leere. Es war, als hätte sie für sie beide an der Hoffnung festgehalten. Er war überrascht festzustellen, wie unerträglich trostlos der Gedanke war, dass Fiona ihren Glauben verloren hatte.
    »Komm ins Wohnzimmer«, sagte er und fasste sie sanft am Ellbogen. Widerstandslos wie ein Kind folgte sie ihm, das Schluchzen kam von so tief innen, dass er das Gefühl hatte, es würde sie zerreißen.
    Sie setzten sich auf die Couch, und er nahm ihr Gesicht in die Hände. »Wann hast du aufgehört zu glauben, dass sie vielleicht noch lebt?«
    »Ach, ich weiß nicht – nach und nach, mit den Jahren vielleicht … Ich weiß es nicht mehr.« Sie sah aus dem

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