In sueßer Ruh
(Ihre Mutter Marialis hatte ein Hinterteil wie ein Elefantenjunges gehabt.) Was aber kein Problem war, denn die Männer aus ihrem Kulturkreis mochten es nicht, wenn ihre Frauen so spindeldürr gebaut waren wie das Röhricht, das neben dem Parkplatzzaun in der Nähe ihres Apartments in Washington Heights wuchs.
Sie biss noch einmal vom Kuchen ab, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und streckte die Beine unter dem Tisch aus. Ihr Mann Luis mochte sie genau so, wie sie war, gracias a Dios . Er mochte es, sich hinter sie zu stellen, wenn sie das Hühnchengericht pollo a la brasa kochte, seine dicken, fleischigen Hände auf ihren Hintern zu legen und zuzudrücken, als prüfte er den Reifegrad einer Melone. Ihre Schwester verdrehte immer die Augen und meinte, sie solle ihm so ein Benehmen nicht durchgehen lassen. Aber ihr gefiel es, wenn er das machte – sie fühlte sich dadurch weiblich und sexy. Obwohl sie immer seine Hand wegschlug, brachte es sie zum Lachen, und später, nach dem Abendessen, ließ sie ihn ihren Hals und ihre Ohren küssen. Manchmal verzogen sie sich dann für ein hastiges Fummeln ins Schlafzimmer, selbst wenn ihre Tanten, café con leche trinkend und Zitronenkekse essend, im Wohnzimmer saßen.
Jetzt war Joselin allerdings besorgt, dass hier ein Dieb frei herumlief, und wusste nicht genau, was sie dagegen unternehmen sollte. Der Summer der Eingangstür ging. Sie ließ den zur Hälfte gegessenen Kuchen in der Papiertüte zurück und stand auf, um aufzumachen.
Draußen im Regen stand, durchgeweicht bis auf die Haut, dieser Neue – Danny? Donny? Nein, Davey – so hieß er.
Sie öffnete die Tür und schnalzte wie eine missbilligende Mutter mit der Zunge. Luis und sie hatten mit Kindern ein paar Jahre gewartet, aber hätte sie gleich nach der Hochzeit einen Sohn bekommen, wäre er nun ungefähr im gleichen Alter wie dieser junge Mann.
Sein schwarzes Haar klebte ihm am Kopf, und von seiner Nasenspitze tropfte es.
»Mira, ven aquí!« , sagte sie kopfschüttelnd. »Du siehst aus wie eine ersäufte Ratte. Wo hast du denn deinen Schirm? Komm rein, bevor du an Lungenentzündung stirbst!«
Er schlüpfte in den Eingangsraum und machte die Tür hinter sich zu. Joselin drehte sich um, um ihm ein Handtuch zu holen.
Es war das Letzte, was sie tat.
KAPITEL 46
Normalerweise sah bei einer Piña Colada im Waikiki Wally’s die Welt schon anders aus. Das Restaurant war Lees Stammlokal – Kathy nannte es sein zweites Zuhause. Mit seinem tropischen Wasserfall, den Hula tanzenden Kellnerinnen und der hervorragenden Küche hatte es einfach alles.
Am Freitagabend saß Lee an der Bar und nuckelte an seinem zweiten Drink, Hibiscus Heaven, einem heimtückisch wirkungsvollen Gebräu mit mindestens zwei Sorten Rum. Er wusste, dass er sich damit selbst verarztete, aber das war ihm egal. Kathy kam an diesem Wochenende nicht nach New York. Sie sagte, die Arbeit staple sich, doch er glaubte ihr nicht. Irgendetwas ging vor sich – er wusste nur nicht, was. »Wir müssen reden« – das waren ihre Worte. Angesichts seines sich zuspitzenden Falls und ihrer steigenden Arbeitsbelastung war allerdings keine Zeit dafür gewesen.
Ein schlaksiger asiatischer Transvestit vom Cabaret-Restaurant Lucky Cheng’s mit wallendem schwarzen Haar stolzierte im Minirock auf zehn Zentimeter hohen Absätzen durch den Raum. Beide Restaurants gehörten den gleichen Leuten, sie hatten eine gemeinsame Küche und waren im Keller durch einen Gang verbunden. Überraschenderweise lockten sie weitgehend dieselbe Kundschaft an: Bräute, die mit ihren Freundinnen Junggesellinnenabschied feierten, das Pendler-Völkchen, das einen Abend in der Stadt ausging, und Touristen, die die zahllosen Artikel über die berühmten Dragqueen-Shows im Lucky Cheng’s gelesen hatten, die mit »asiatischen Dragqueens aus Singapur, Japan, Indien, China, Indonesien, Hawaii und den Philippinen« auftrumpften.
Aber das Waikiki Wally’s hatte auch seine lokalen Stammgäste, und Lee war einer von ihnen.
»Wie geht’s dir heute Abend?«
Lee drehte sich um und erblickt Malaya, die philippinische Animierdame des Waikiki Wally’s, die samstagabends einen klasse Hula tanzte. Sie saß am anderen Ende der Bar und süffelte einen Zombie aus einem geeisten grünen Highball-Glas. Ihre schwarzen Haare fielen ihr wie ein Wasserfall über den Rücken, und hinter ihrem rechten Ohr klemmte eine Orchidee. Er konnte nicht sagen, ob sie künstlich oder echt war. In so was war Kathy gut,
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