In sueßer Ruh
Verbrennungen durch einen Taser glichen, allgemein als Elektroschocker bekannt.
Butts schnaubte angewidert. »Die verdammten Dinger sollten verboten werden.«
»Na ja, immerhin wissen wir jetzt, wie er sie überwältigt hat«, bemerkte Lee.
»Wenn es sonst noch was gibt, muss sich das bei der Autopsie zeigen«, sagte Grumman und fügte, an den jungen Polizisten gewandt, hinzu: »Gute Arbeit, Marshall. Und Sie«, bat er Butts, »halten Sie mich auf dem Laufenden?«
»Klar doch. Danke, dass Sie uns eingeschaltet haben«, erwiderte Butts.
Lee ließ die beiden Detectives am Tatort zurück und machte sich auf den Heimweg. Er musste allein sein, um über diese letzte Entwicklung nachzudenken. Er nahm den M15er-Bus die Second Avenue hinunter und beobachtete durch das rußverschmutzte Fenster, wie Wolken am sich zunehmend verfinsternden Himmel aufzogen.
Als er aus dem Bus stieg und in seine Straße einbog, öffnete der Himmel seine Schleusen, und wieder brach ein Gewitter los. Den letzten halben Block rannte er, flitzte die Vordertreppe, zwei Stufen auf einmal nehmend, hoch und drückte sich gerade noch rechtzeitig ins Haus, um nicht vollständig durchnässt zu werden. Im Windfang schüttelte er sich das Wasser von den feuchten Kleidern und stieg dann die zwei Stockwerke zu seiner Wohnung hinauf.
Der Regen kam mit solcher Wucht heruntergeprasselt, dass er alles andere übertönte. All die gewohnten Straßengeräusche waren verschwunden: die Schritte der Fußgänger, das Zischen vorbeifahrender Autos, das Brummen der Busse, wenn sie schwerfällig die Third Avenue hochkamen, und die quietschenden Bremsen der Mülllaster. Auch die Geräusche im Gebäude waren verschwunden – das Knarren der Holzdielen und die Schritte der Bewohner über ihm, das schnelle Tapsen, wenn ihre Katze einem Spielzeug nachjagte, das leise Gemurmel des Fernsehers oder Radios nebenan. Das Eingeschlossensein in den Kokon des trommelnden Regens weckte in Lee eine eigentümliche Empfindung von Unverwundbarkeit, von Sicherheit. Das Innere seiner Wohnung fühlte sich an wie ein abgesonderter Ort, wie ein kleines unabhängiges Universum, in dem er vor den Gefahren der Außenwelt geschützt war.
Er starrte aus dem Fenster auf die graue Regenwand, die sich aus dem Himmel ergoss. Er ertappte sich dabei, wie er sich wünschte, es würde nie wieder aufhören und die schweren Regentropfen würden die Zeit zum Anhalten bringen. Mütter würden ihre Kinder abends ins Bett bringen und wissen, dass in dunklen Gassen keine Mörder lauerten, um sich ihre Lieblinge zu schnappen; junge Frauen würden beruhigt schlafen gehen können, in der Gewissheit, nicht aufzuwachen und eine finstere Gestalt zu erblicken, die sich über ihr Bett beugte. So ein Regen würde bestimmt alles Böse dieser Welt auslöschen und sie von allen Sünden der Menschheit reinwaschen.
KAPITEL 48
»Ich habe gehört, es hat eine undichte Stelle gegeben«, sagte Sergeant Quinlan und ließ seinen grobknochigen Körper auf einen Stuhl sinken. »Habt ihr Jungs eine Ahnung, wer es sein könnte?«
»Nö«, sagte Butts und biss ein Stück von einem Energieriegel mit Sesam ab. Er aß noch immer zwanghaft, aber immerhin gesündere Sachen. Sergeant Quinlan vom 47. Revier hatte gebeten, Teil der Einsatzgruppe sein zu dürfen, der man einen Fall von inzwischen größtem öffentlichen Interesse übertragen hatte. Es war Samstagvormittag, und die drei Männer und Elena Krieger trafen sich im Besprechungsraum, der für sie im Morddezernat reserviert war.
»Scheint mir, als könnte es sogar einer aus der Gerichtsmedizin sein«, sagte Quinlan. »Ich meine, es hatten ja eine Menge Leute Zugang zu den Laborberichten, oder?«
»Ich schätze schon«, sagte Lee.
»Aber was hätte er davon?«, meinte Butts. »Sobald das rauskommt, war’s das mit seinem Job.«
Krieger runzelte die Stirn und verschränkte die Arme. Sie trug einen kakifarbenen Military-Rock und ein Jackett über einer makellos weißen Bluse, ihr rotes Haar hatte sie in einem Knoten hochgesteckt. Der Look war ziemlich androgyn und beunruhigend sexy. »Ich verstehe noch immer nicht, was es dem Fall geschadet hat.«
Chuck Morton betrat den Raum und warf einen Stapel Fotos auf den Tisch. »Hier haben Sie Ihre Antwort.«
Es waren Hochglanzabzüge im Format zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter, und sie zeigten einen Jungen zwischen siebzehn und Anfang zwanzig in voller Gothic-Montur inklusive schwarzem Lippenstift, Nasenringen und anderen
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