In sueßer Ruh
lassen.«
»Sie erwähnen ein Kindheitstrauma«, sagte Butts. »Dann hat er schon länger daran gedacht, diesen Scheiß zu veranstalten?«
»Allerdings«, sagte Lee. »Schon seit einer sehr langen Zeit.«
KAPITEL 54
»Du wolltest mich sprechen?«, fragte Chuck, ohne aufzusehen. Er wühlte auf der Suche nach irgendwas auf seinem Schreibtisch herum.
»Ja«, sagte Lee. Auf der Türschwelle stehen zu bleiben kam ihm hilflos vor, er wollte aber auch nicht eintreten und sich setzen. Nach der Besprechung hatte er sich direkt zu Chucks Büro begeben – er konnte das Gespräch mit ihm nicht länger vor sich herschieben.
Chuck hörte mit der Sucherei auf und schaute auf die Armbanduhr. »In einer halben Stunde habe ich einen Termin.« Er ging zur Tür und rief auf den Flur: »Ruggles!« Dann sah er Lee an. »Kann es warten?«
»Eigentlich nicht.«
Der Sergeant erschien, sein Gesicht war noch röter als gewöhnlich. »Ja, Sir?«
»Haben Sie meine –«
»Brille gesehen, Sir?«, sagte Ruggles und zog sie aus der Tasche. »Sie haben sie auf meinem Schreibtisch liegen lassen, Sir.«
Chuck nahm sie. »Danke, Ruggles.«
»Nicht der Rede wert, Sir«, erwiderte er und zog sich zurück.
Chuck setzte die Brille auf und blätterte in ein paar Unterlagen auf seinem Tisch. »Verdammter Papierkram«, murmelte er. »Wir ersaufen noch darin.« Er seufzte und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Dann schien er Lee erstmalig wahrzunehmen. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja. Nein. Mist, Chuck, ich weiß es nicht. Ich spreche wirklich nicht gern darüber.«
»Hat es was mit dem Fall zu tun, oder ist es etwas anderes?«
»Beides, denke ich.«
»Schön, dann spuck’s in Gottes Namen aus. Dieses Um-den-heißen-Brei-Herumreden macht es nur noch schlimmer.«
»Es geht um … Susan.«
Chucks Miene verdüsterte sich. »Was ist mit ihr?«
Oh-oh, jetzt kommt’s.
Lee sah das Ende ihrer Freundschaft bedrohlich vor sich aufragen. Wenn er es allerdings nicht ansprach, konnte Schlimmeres passieren – sehr viel Schlimmeres.
»Mein Gott, ich fühle mich furchtbar, dich das fragen zu müssen, aber –«
»Bring’s hinter dich, ja?«
»Sprichst du mit ihr über … Einzelheiten von Fällen?«
Chuck wurde rot vor Zorn. »Himmelherrgott, Lee! Worauf willst du damit hinaus? Natürlich nicht!«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Gut, das hast du dir also gedacht!«
Lee konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen. »Ich … ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, sie in dein Büro zu lassen, wenn du nicht in der Nähe bist.«
Chuck schaute ihn finster an. »Was?«
»Sie war in letzter Zeit oft hier, und – ach, vergiss es. Ich weiß nicht, was ich sage. Nur, dass –«
Chuck stand mit zusammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten auf.
»Willst du andeuten, sie wäre verantwortlich dafür, dass etwas durchgesickert ist?«
»Nein, nein«, entgegnete Lee, konnte die fehlende Überzeugung in seiner Stimme aber selbst hören. Lieber Gott, Campbell, was bist du nur für ein mieser Schauspieler!
Chuck kaufte es ihm ohnehin nicht ab. Seine blassen Augen wurden größer, und seine Züge erschlafften. »Mensch, Lee! Das denkst du also, stimmt’s? Wie zum Teufel kommst du darauf?«
»Das habe ich nicht gesagt, Chuck.«
»Himmel, Lee, es ist schon schlimm genug, dass du es denkst. Wie kannst du nur – wieso solltest du –«
»Na ja, es passt doch, oder? Unmittelbar nachdem sie da gewesen ist und sich sämtliche Bilder angesehen hat, wurde die ganze Sache öffentlich.«
»Aber warum sollte sie –« Er warf Lee einen Blick zu. »Was ich da heute gesehen habe –«
»Da war nichts, Chuck. Du kennst Susan doch. Sie muss zwanghaft flirten, das war schon immer so.« Noch während er sprach, bereute er die Worte bereits.
Chuck richtete sich kerzengerade auf, als sei ihm plötzlich ein Gedanke gekommen.
»Warte mal. Ich bin erkältet, und dann kriegst du eine Erkältung –«
»Was deutest du da an? Du glaubst ernsthaft –«
»So ein Zufall, nicht?«
»Eine Sommererkältung, das ist alles!«
»Ja, Lee? Tatsächlich?«
Lee wusste, dass sein Freund durchdrehte und hirnrissiges Zeug redete. Der Druck im Job setzte ihm zu. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center war Chuck durchgehend im Dienst, ebenso in der hässlichen, schweren Folgezeit, die noch immer nicht vorbei war. Er liebte Susan über alles und würde alles tun, um sein Bild von ihr aufrechtzuerhalten. Und der Druck innerhalb des Departments, diesen Fall zu lösen,
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