In tiefer Sehnsucht
geschehen.« Er schenkte ihr sein seltenes Lächeln und küsste ihre Hand. »Die Farbe passt zu deinen Augen. Du siehst einfach atemberaubend aus.« Er beugte sich vor, um ihren Koffer zu nehmen.
»Wenn du fertig bist, können wir los.«
Als Isabelle hörte, wie die Wohnungstür mit einem Klicken hinter ihnen zuschnappte, zog sich ihr Herz zusammen. Es kam ihr vor, als würde sich eine Tür hinter der ersten Hälfte ihres Lebens schließen. Wenn sie an Neujahr durch diese Tür ging, würde sie eine andere Frau sein.
Das war sie schon jetzt.
Irgendwie war es Nicholas gelungen, eine Saite in ihr zum Klingen zu bringen, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Es ging nicht nur um Sex, auch wenn dieser sie wirklich bis ins Mark erschüttert hatte. Und das, obwohl es bisher beim Vorspiel geblieben war, so, wie Nicholas es geplant hatte.
Nein, es war mehr als das. Sie fühlte sich ihm nahe, tief verbunden.
Ihre Eltern waren zu sehr mit ihrem eigenen Gefühlschaos beschäftigt gewesen, als dass sie für ihre kleine Tochter viel Aufmerksamkeit übrig gehabt hätten. Nachdem ihr Vater sie verlassen hatte, hatte Isabelle ihre ganze Kraft gebraucht, um mit der Depression und der Krankheit ihrer Mutter klarzukommen – deshalb hatte sie nie die Zeit gefunden, enge Freundschaften aufzubauen oder mit Jungs auszugehen. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte es mehrere Jahre harter Arbeit gekostet, um wenigstens den Löwenanteil ihrer hohen Schulden abzuzahlen.
Ihre wenigen Affären waren unbefriedigend gewesen, und sie hatte sich schon fast damit abgefunden, allein zu leben und auf leidenschaftliche Gefühle zu verzichten.
Umso mehr verblüfften sie die heftigen Reaktionen, die Nicholas ihrem Körper so mühelos entlockte. Durch ihn hatte sie eine ganz neue Seite an sich selbst entdeckt. Er hatte die Tür zu einer anderen Welt aufgestoßen.
Es kam ihr vor, als hätte sie mit früheren Liebhabern dieselben Phasen durchlebt, der Unterschied war nur, dass sie bei ihnen nichts gefühlt hatte. Jetzt dagegen … jetzt kostete sie das Leben voll aus. Es war beinahe erschreckend, wie intensiv ihre gemeinsame Zeit war. Und es brach ihr das Herz, zu wissen, dass sie die Tür zu dieser neuen Welt kaum aufgestoßen hatte, dass sie kaum Zeit haben würde, einen Blick auf die Wärme, den Gefühlsrausch und die alles verzehrende Leidenschaft zu werfen, die sie auf der anderen Seite erwarteten, bevor ihr die Tür wieder vor der Nase zugeschlagen wurde.
Nicholas war sehr deutlich gewesen, was die Bedingungen ihrer Affäre anging: Sie würden ein bis zwei Wochen zusammenleben, einander rückhaltlos lieben und alles miteinander teilen, aber dann, nach Ablauf der zwei Wochen, würden sich ihre Wege trennen und sie würden einander nie wiedersehen.
Aber wie sollte sie ihn aufgeben?
Isabelle hatte sich daran gewöhnt, dass Nicholas in ihrer Nähe war, hatte sich daran gewöhnt, in seinen starken Armen zu schlafen und seinen Mund und seine Hände auf ihrem Körper zu spüren. Daran, dass seine große, durchtrainierte Gestalt sich wie ein schützendes Bollwerk zwischen sie und den Rest der Welt schob. Wie sollte sie das nächste Jahr überstehen, wenn er nicht an ihrer Seite war?
Sie versuchte es, indem sie nur für den Moment lebte. Im Moment war Nicholas noch bei ihr, und sie war fest entschlossen, die Erinnerung an ihre gemeinsamen Tage für immer im Gedächtnis zu bewahren.
Sie traten aus dem Apartmentgebäude, und Isabelle sah zum Himmel hinauf.
In den beiden letzten Tagen hatte es ununterbrochen geregnet, und der Wetterbericht sagte für die Weihnachtsfeiertage heftige Schneefälle voraus. Als Nicholas ihr die Beifahrertür aufhielt, ließ der Regen nach, aber die Wolken über ihren Köpfen waren zerrissen und regenschwer. Wie ein düsteres Vorzeichen hingen sie über ihnen und spiegelten damit wider, was Isabelle tief im Herzen fühlte.
Auch wenn sie sich darauf freute, ein paar wenige kostbare Tage mit Nicholas zu haben, ihn endlich in sich zu spüren, endlich voll und ganz ihm zu gehören, wusste sie gleichzeitig, dass es ihr das Herz brechen würde.
»Woran denkst du?«, fragte Nicholas, als er den Motor startete.
Isabelle drehte den Kopf, um sein Profil zu studieren. Wie alles andere an ihm war es scharf geschnitten und entschlossen.
»An das, was danach sein wird«, sagte sie rundheraus.
Seine Hand, die noch auf dem Zündschlüssel lag, erstarrte.
Langsam senkte er den Kopf und presste die Stirn gegen den oberen Rand des
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