In tiefster Dunkelheit
hielt die Wange nah vor die Nase des Mädchens.
Sie lebte! Der Atem ging nur schwach, aber sie lebte.
Zitternd fasste Jess nach ihrem Mikro. »Ich habe Macy York gefunden. Wir brauchen einen Rettungswagen. Bei Gott, hier liegt eindeutig Gefahr im Verzug vor.« Zum Teufel mit dem Durchsuchungsbeschluss!
Jess zog das Mädchen aus der Erde. Begann wieder zu graben. Dieses Mal bewegte sich die Masse, auf die sie traf. Callie Fanning.
Burnett verkündete: »Wir gehen rein.«
»Callie Fanning ist auch hier«, meldete Jess. »Beide leben noch.« Sie betrachtete die Gestalten, die sich langsam unter der Erde abzuzeichnen begannen. »Wir brauchen mindestens vier Rettungswagen.«
Jess zog Callie das Klebeband vom Mund, und das Mädchen begann zu schluchzen. »Pscht.« Jess blickte zur Tür und riss ihr dann hastig das Klebeband von den Händen. »Hilf mir, Callie. Sieh nach Macy, während ich grabe.«
Als hätte die Erwähnung des Namens des anderen Mädchens einen Schalter umgelegt, hörte Callie auf zu weinen und wandte sich Macy zu.
Jess grub bereits wieder, als das Scheunentor aufglitt.
Plötzlich war Burnett auf Knien neben ihr. »Oh mein Gott.«
Gemeinsam gruben sie Dana und Reanne aus. Ganz unten lag Dr. Sullivan. Jess zog sie aus dem Loch.
»Sullivan atmet nicht.« Jess nahm die Position ein, um Erste-Hilfe-Maßnahmen durchzuführen.
»Wo ist Andrea?«
Erst jetzt fiel Jess auf, dass sie alle Mädchen außer Andrea gefunden hatten. Und sie waren am Boden des behelfsmäßigen Grabes angekommen.
»Sie ist im Haus«, krächzte Callie und hustete. »Sie machen da irgendetwas mit ihr. Sie sind verrückt.«
Burnett stürmte aus der Scheune.
Jess konzentrierte sich auf Sullivan. »Komm schon, Maureen, atmen.« Erneut zwang sie Luft in die Lunge der Frau. Ihre Haut fühlte sich warm an. Noch war nicht alles verloren.
»Agent Harris!«
Chet. Gott sei Dank.
Er ließ sich in die Erde neben Jess sinken. »Kümmern Sie sich um die Mädchen. Ich mach das schon.« Chet nahm die Reanimation wieder auf. »Der Rettungswagen ist auf dem Weg.«
Mit zitternden Beinen stand Jess auf und ging zu den Mädchen. Sie waren am Leben. Dana und Reanne kamen gerade zu sich. Alle schluchzten.
Jess blinzelte die Tränen weg und brachte ein Lächeln zustande. »Alles in Ordnung, Mädchen. Ihr seid jetzt in Sicherheit.«
Sie betete darum, dass Andrea noch am Leben war.
Sheriff Griggs und zwei seiner Deputys waren schon im Haus, als Dan durch die Hintertür stürzte. Mr und Mrs Murray saßen am Küchentisch und schienen gerade zu Abend gegessen zu haben.
»Wenn ich gewusst hätte, dass wir Gäste bekommen«, verkündete Mrs Murray, »hätte ich eine größere Torte gebacken.«
In der Mitte des Tisches stand eine weiße Torte. Mehrere Stücke fehlten. Von der oberen Schicht neigten sich gefährlich die Aufsatzfiguren eines Brautpaares.
»Wo ist Andrea?«, verlangte Dan zu wissen.
Mr Murray begann seinen Stuhl zurückzuschieben. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Sir«, warnte ihn ein Deputy.
»Also wirklich«, sagte Murray. »Sie dringen in mein Haus ein und stören uns bei dem Abendessen, das meine Frau mit viel Mühe zubereitet hat. Was wollen Sie von uns?«
»Wo ist das andere Mädchen?«, wiederholte Dan. Die eine Gesichtshälfte des Mannes war rot und geschwollen, als hätte ihm jemand einen Schlag mit einem Ruder verpasst.
»Sie darf jetzt nicht gestört werden«, sagte Mrs Murray, erstaunlich munter für eine Frau, die vier bewaffnete Männer umstanden. »Es ist ihre Hochzeitsnacht.«
Eine neue Art des Grauens packte Dan. »Griggs, helfen Sie mir suchen«, sagte er, während er weiter ins Haus hineinlief. Er hörte noch, wie der Sheriff seinen Deputys befahl, die Murrays am Tisch zu halten.
Dan und Griggs trennten sich, um sich nacheinander jeden Raum vornehmen.
Dan ging als Erster die Treppe hinauf.
Die vollkommene Stille machte ihm Angst. Im Ohr hörte er die Kommunikation zwischen Jess und den anderen. Sullivan würde es nicht schaffen.
Was zur Hölle war hier geschehen?
Vier Türen im oberen Stock.
Griggs übernahm die auf der linken, Dan die auf der rechten Seite.
Das erste Zimmer, das Dan betrat, war rosa gestrichen.
Andreas Lieblingsfarbe
.
Nichts unter dem Bett, nichts im Schrank. Er zögerte, dann hob er eine weggeworfene Jeans und eine Bluse auf. Gehörten sie Andrea? Sein Herz schlug gegen sein Brustbein.
Er ging weiter zum nächsten Zimmer.
Dann horchte er an der geschlossenen Tür. Keine Geräusche.
Weitere Kostenlose Bücher