In tiefster Dunkelheit
geklungen. Und geschmeckt hatte sie ebenfalls wild und süß. Unbezähmbar, nicht zu stoppen. Eine Zeit lang hatte sie ihn dazu gebracht, zu glauben, alles wäre möglich.
Doch die Realität hatte den Traum, den sie in ihm geweckt hatte, vor langer, langer Zeit zerschlagen. Nun rief sie wieder dieselben Gefühle in ihm hervor, und er fragte sich, ob das Scheitern seiner letzten Ehe womöglich eine verfrühte Midlife-Krise bei ihm ausgelöst hatte. Eine andere vernünftige Erklärung gab es nicht. Und nun kämpfte er schon seit mehr als vierundzwanzig Stunden dagegen an.
In den letzten beiden waren ihm dann allmählich die Entschuldigungen ausgegangen.
Zum Beispiel kam ihm das Innere seines SUV nun deutlich kleiner vor als noch vor zwei Stunden. Sie war überall. Der Klang ihrer Stimme … der Geruch ihrer Haut. Die vielen kleinen Seufzer und leisen Laute, die sie von sich gab, wenn sie über den Fall nachgrübelte.
Eigentlich sollte er es besser wissen. Er und Jess waren viel zu verschieden. Beide waren zu fokussiert auf ihre eigenen Ziele, auf ihre Definition von sich selbst, um Kompromisse einzugehen. Wie war es möglich, dass zwanzig Jahre Lebenserfahrung sich in kaum mehr Stunden einfach in Luft auflösen konnten?
»Ich bin überrascht«, unterbrach Jess seine selbstironischen Überlegungen. »Williams hat ihr bestimmt eingeschärft, sie soll bleiben, wo sie ist, bevor er gegangen ist.« Sie stopfte die Pepsi-Dose in den Halter neben seinem Kaffee. »Aber ich hätte gedacht, sie hat mehr Mumm.«
Dan schüttelte auch die letzten Gedanken an das Verbotene ab und wandte sich dem Hier und Jetzt zu. Er warf ihr einen scharfen Für-wen-hältst-du-dich-eigentlich-Blick zu. Zwar hätte sie seine Skepsis wohl auch dann nicht richtig gedeutet, wenn sie sich die Mühe gemacht hätte, ihn anzusehen – was sie nicht tat –, aber er fühlte sich besser danach.
»Du hast sie ja nicht einmal kennengelernt. Wie willst du da beurteilen, ob sie Mumm hat oder nicht?« Er wollte gar kein Klugscheißer sein, auch wenn es sich so anhörte. Er wollte es wirklich wissen. Wollte mehr über sie wissen … über die Jess von heute.
Wieder etwas Neues auf der stetig länger werdenden Liste der Belege seiner Unfähigkeit, seine niederen Instinkte zu kontrollieren, wenn es um sie ging. Dasselbe war ihm damals vor zehn Jahren innerhalb von fünf Minuten passiert. Offensichtlich gab es da ein Muster, und er hatte noch nicht herausgefunden, wie er es ändern konnte.
»Natürlich habe ich sie kennengelernt.« Jess drehte sich auf ihrem Sitz zu ihm herum, streifte die gewagten High Heels ab und zog die Beine unter sich. »Sie stand in der Eingangshalle hinter dem sturen Anwalt. Ich habe den Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen.«
Ihr Ton war schmollend, das sagte ihm, dass sie müde war, aber recht hatte, ob er es glaubte oder nicht. Allein ihr zuzuhören rief Erinnerungen wach, wie sie ihn böse angeguckt hatte, wenn er sie verärgert hatte, die Lippen unwillig gespitzt. Genauso starrte sie ihn jetzt an. Im schwachen Licht der Straßenlampen und des Mondes war es nicht ganz so wirkungsvoll, aber seine Fantasie ergänzte die fehlenden Einzelheiten. Das enge Kostüm, das sie trug, war erdig braun. Elegant, konservativ. Aber was immer sie unter dieser Jacke trug, war mit Spitzen verziert und sexy. Die Spitze lugte am Ausschnitt hervor und erlaubte einen winzigen Blick auf den Ansatz ihrer üppigen Brüste.
Und sie gehörte einem anderen.
Okay, Zeit für einen Spaziergang. »Ich bin gleich zurück.« Offenbar reichte ein Date alle sechs Monate nicht aus, um eine emotionale Bindung zum anderen Geschlecht aufzubauen.
»Du gehst nirgendwohin«, widersprach sie. »Du hast mich gefragt, da ist es doch das Mindeste, dass du dir meine Antwort anhörst.«
Sieh sie nicht an. »Schön. Ich bin ganz Ohr.«
»Ich dachte, du hasst den Ausdruck.«
»Jess, du wolltest mir etwas erklären.«
Sie stieß einen tiefen, frustrierten Seufzer aus. Er roch nach Minzbonbons und Schokoladen-M&Ms. Beides hatte sie aus ihrer riesigen Handtasche gezaubert. »Ich habe ihren Lebenslauf gelesen. Ein paar ihrer Artikel für psychologische Fachzeitschriften überflogen. Sie ist ein Typ A. Sie ist nicht verheiratet, was mir sagt, dass sie eine traditionelle Beziehung als einengend empfindet. Ihr Haus ist pompös, was darauf hindeutet, dass sie das Bedürfnis verspürt, ihren Erfolg der Welt zu demonstrieren. Und sie mag es nicht, wenn sie Unrecht hat. Sonst hätte sie
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