In tiefster Dunkelheit
müssen bis nach der Pressekonferenz warten«, wandte Lori ein.
»Das kann Stunden dauern«, widersprach Jess. »Die haben gerade erst angefangen. Dann werden noch Fragen gestellt, et cetera, et cetera.« Lori war immer noch nicht überzeugt. »Sein Befehl lautet, dass Sie mich nicht aus den Augen lassen sollen. Dann tun Sie das auch nicht.« Jess hob die Hände und zuckte mit den Schultern. »Wir fahren zusammen mit Ihrem Auto. Bewaffnet und für alles gewappnet.
Zusammen
.«
»Falls …«, sagte Lori vorsichtig, »… wir gehen, dann müssen Sie sich aber …«
»An Ihre Anweisungen halten«, beendete Jess den Satz für sie. Sie stand auf. »Einverstanden. Los geht’s.«
Lori klappte ihren Laptop zu. »Wir können den Hinterausgang nehmen. Damit vermeiden wir den Menschenauflauf draußen vor dem Gebäude.« Sie brachte ein Lächeln zustande, das aber nicht ihre Augen erreichte.
Sie war besorgt. Das konnte Jess verstehen. Das Gerücht, dass sie zu Alleingängen neigte, würde jeden Cop nervös machen, der nicht auf den Kopf gefallen war. Und wenn Jess mal ihre eigenen Verleugnungsmechanismen überwand, musste sie zugeben, dass sie selbst ziemlich nervös war.
Was, wenn sie sich irrte? Vielleicht verschwendete sie nur Zeit … machte Fehler.
So wie schon einmal.
Warrior, 12:22 Uhr
»Das ist es, ganz sicher.«
»Sieht aus, als wäre jemand zu Hause.« Jess reckte den Hals, um die Fahrzeuge zu zählen. Zwei Autos, ein Transporter und zwei SUV . Alles ältere Modelle. Nichts Luxuriöses oder Neues. »Glauben Sie, dort findet vielleicht eine Party statt?«
»Das werden wir wohl herausfinden.« Lori öffnete die Autotür und zögerte dann. »Gehen wir es langsam und locker an, Jess. Wir wollen nicht, dass jemand wegen uns Beschwerde einreicht.«
Jess schnaubte frustriert. »Diese Geschichten über mich sind stark übertrieben.«
»Hey, ich habe nicht über Sie gesprochen.« Sie nickte zu dem Haus hin. »Die Debarros haben mehrere Beschwerden gegen die Ermittler eingereicht, als ihre Tochter verschwand. Ich habe die Aktennotizen gesehen. Da war alles dabei, von Rassismus bis hin zur guten alten Respektlosigkeit. Die Stimmung könnte möglicherweise ziemlich gereizt sein.«
Jess befeuchtete sich die Lippen und lächelte, auch wenn ihr plötzlich eher nach Weinen zumute war. Was vermutlich am Schlafmangel und an dem Frust lag, weil sie in diesem Fall nicht vorankamen. Ganz zu schweigen davon, dass diese verdammte Hetzkampagne an ihren Nerven zehrte. Erschöpfung und Unzufriedenheit taten ein Übriges.
»Na, kommen Sie.« Lori schenkte ihr ein echtes Lächeln. »Holen wir uns den großen Durchbruch, für den wir gebetet haben.«
Jess folgte der Ermittlerin durch den Vorgarten. Vor dem kleinen, kastenartigen Haus verlief kein Gehweg, und es gab keine Frontveranda, nur ein paar Stufen, die zur Haustür führten. Keine Büsche, keine Blumen. Nichts als Gras und Wagenspuren, wo der Rasen als Auffahrt diente.
Lori stand schon auf den Stufen und klopfte an die Tür. Sie war wirklich ein guter Detective und eine nette Frau. Möglicherweise irgendwann mal eine Freundin. Für Freunde hatte Jess schon lange keine Zeit mehr gehabt. Außerdem war Wells attraktiv. Groß, schlank, langes braunes Haar. Chet sollte sich besser anstrengen, diese Frau war ein guter Fang.
Und das perfekte Beispiel für den Typ, den der Spieler bevorzugte.
Jess schauderte unvermittelt und warf instinktiv einen Blick zurück auf die schmale gepflasterte Straße, auf der sie hergekommen waren. Fünf oder sechs kleine Häuser sprenkelten die Straße, dahinter drängten sich Wälder.
Nach einem erneuten Klopfen kam jemand an die Tür. Muntere Musik schallte ihnen entgegen, als sie sich öffnete. Es war Samstagnachmittag. Für viele hart arbeitende Menschen Zeit für Ruhe und Entspannung.
Ein lateinamerikanisch aussehender Mann erschien im Türrahmen. Er sah von Lori zu Jess, dann zu dem roten Mustang, Baujahr 1967, mit dem sie hergekommen waren, und wieder zurück zu ihnen. »Haben Sie sich verirrt?«
»Sind Sie Jorge Debarros?«, fragte Lori.
»Kommt drauf an.« Er lehnte sich an den Türpfosten. »Sind Sie Megan Fox?«
Lori zeigte ihre Marke. »Wir möchten bitte mit Mr Debarros sprechen.«
Der Mann starrte sie noch einen Moment länger an. Offensichtlich gefiel ihm die Figur, die er unter der konservativen Hose und Bluse vermutete. »Jorge!«, rief er über die Schulter zurück. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem unerwarteten
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