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In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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nicht ins Leichenschauhaus.
    »Nach Derby.«
    »Was ist denn in Derby?«
    »Der Wagen Ihrer Tochter«, sagte Kip Jennings.
     
    FÜNF
     
    Kip Jennings’ grauer viertüriger Chevy sah auch von innen nicht wie ein Streifenwagen aus. Nirgendwo lag ein Blaulicht, und es gab auch kein Gitter, das Vorder- und Rücksitze voneinander trennte. Im Fußraum lagen Fast-Food-Verpackungen und leere Kaffeebecher.
    »Wo haben Sie den Wagen gefunden?«, fragte ich.
    »Wir haben ihn nicht gefunden«, antwortete Kip Jennings. »Er stand auf einem Wal-Mart-Parkplatz, schon seit mehreren Tagen. Die Geschäftsleitung hat schließlich die Polizei gerufen, um den Wagen abschleppen zu lassen.«
    »War …« Ich zögerte. »War jemand in dem Wagen?« Ich dachte an den Kofferraum.
    Die Polizistin warf mir einen Seitenblick zu. »Nein«, sagte sie und nickte in Richtung des kleinen Displays, das am Armaturenbrett befestigt war. »Ich lasse das Navigationssystem immer laufen, auch wenn ich den Weg genau kenne. Ich stehe einfach drauf.«
    »Wie lange hat der Wagen dort gestanden?«
    »Das wissen wir nicht genau. Anscheinend ist er zunächst niemandem aufgefallen.«
    Einen Moment lang schloss ich die Augen, öffnete sie wieder und ließ den Blick über die Bäume am Rand der zweispurigen Derby Milford Road schweifen. Nach Derby fuhr man etwa zwanzig Minuten.
    »Und wo ist der Wagen jetzt?« Vor meinem inneren Auge sah ich ein gleißend helles Labor, in dem Techniker der
    Spurensicherung in weißen Schutzanzügen Syds Civic nach allen Regeln der Kunst untersuchten.
    »Auf einem städtischen Verwahrplatz, wo auch die Fahrzeuge hinkommen, die wegen Falschparkens abgeschleppt werden. Und als der Wagen angeliefert wurde, haben sie das Kennzeichen überprüft und festgestellt, dass das Fahrzeug Ihrer Tochter als gesucht gemeldet worden war. Wie auch immer, ich habe den Wagen noch gar nicht gesehen. Sagen Sie mir unbedingt Bescheid, wenn Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches auffällt.«
    »Mache ich«, versprach ich.
    Alles an der Sache war ungewöhnlich. Meine Tochter war spurlos verschwunden. Nur ein Gedanke hatte mich in den vergangenen Wochen halbwegs getröstet: dass Syd ja nicht zwangsläufig etwas zugestoßen sein musste.
    In den ersten Tagen hatte ich noch geglaubt, dass sie wegen unseres Streits beim Frühstück verschwunden war – weil sie meine Frage nach der Versace-Sonnenbrille in den falschen Hals bekommen hatte. Syd war stocksauer gewesen, und es war durchaus vorstellbar, dass sie mir einen Denkzettel hatte verpassen wollen.
    Doch je mehr Tage verstrichen, desto unwahrscheinlicher erschien es mir, dass jene letztlich harmlose Auseinandersetzung zu ihrem Verschwinden geführt haben sollte. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, ob es irgendetwas anderes gegeben hatte, was sie veranlasst haben könnte, wegzulaufen.
    Vielleicht hatte sie Susanne und mich ja bestrafen wollen. Dafür, dass wir uns getrennt hatten. Dafür, dass wir unsere kleine Familie zerstört hatten. Dafür, dass sie fünf Jahre lang zwischen Stratford und Milford hatte hin und her pendeln müssen. Und zu allem Überfluss war Susanne auch noch mit Bob zusammengezogen. Klar, er hatte ein größeres Haus und mehr Geld als ich, aber vielleicht waren ihr all diese Veränderungen am Ende schlicht zu viel gewesen.
    Und nun kamen weitere Fragen hinzu. Warum hatte sie ihr Auto zurückgelassen? Wo war sie, und wie war sie ohne fahrbaren Untersatz dorthin gelangt?
    Es gab keinen Anhaltspunkt, der mich auch nur ansatzweise optimistischer gestimmt hätte.
    Am Ende der Derby Milford Road bog Kip Jennings nach links auf eine Straße ab, der wir für zwei, drei weitere Meilen folgten – vorbei an einem Wal-Mart, wohl dem Supermarkt, auf dessen Parkplatz man Syds silbernen Civic gefunden hatte –, bis sie schließlich auf ein großes, eingezäuntes Gelände fuhr. Vor einem einstöckigen Gebäude parkten ein paar Abschleppwagen; dahinter befand sich ein Schotterparkplatz, auf dem lange Reihen einkassierter Autos standen.
    Jennings kramte in ihrer Handtasche, zog eine Marke heraus und hielt sie einem Beamten hin, der aus einem Kabuff heraus sah und die Schranke zum Parkplatz öffnete.
    Der silberfarbene Civic stand zwischen einem GMC Yukon und einem Toyota Celica, der bestimmt zwanzig Jahre auf dem Buckel hatte. Syds Auto sah genauso aus wie immer – und trotzdem irgendwie anders. Er wirkte wie ein fremdes Wesen, das etwas wusste, uns aber nichts davon verraten wollte.
    »Nichts anfassen«,

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