In Todesangst
You Are So Beautiful to Me musste ich schließlich abschalten, weil ich sonst garantiert unter der Schlagzeile »Weinender Vater verursacht tödlichen Unfall« in der Zeitung gelandet wäre.
Am Flughafen kaufte ich mir zwei Zeitschriften – die neueste Ausgabe von Car and Driver und den New Yorker. Zwar glaubte ich nicht, mich groß auf Lesestoff konzentrieren zu können, doch für ein paar Hochglanzfotos von Luxuskarossen und ein paar Cartoons würde meine Aufmerksamkeit schon reichen. Ich setzte mich in das überfüllte Terminal, kramte mein Handy heraus und rief Susanne bei der Arbeit an.
Sie arbeitete jetzt seit zwei Jahren in Bobs Firma. Syd hatte schon öfter durchblicken lassen, dass sich die beiden manchmal in die Haare kriegten – etwa weil Susanne bei der Buchführung höchst penibel war, Bob sich aber nicht damit abfinden wollte, beim Finanzamt sein gesamtes Einkommen anzugeben.
Links und rechts von mir saßen andere Leute, weshalb ich aufstand und mich an eins der Panoramafenster begab, hinter denen die Maschinen standen.
»Bob’s Motors«, meldete sich Susanne. Sie klang müde und abgespannt.
»Ich bin’s«, sagte ich.
»Hi«, sagte Susanne. Urplötzlich hatte sich ein argwöhnischer Tonfall in ihre Stimme geschlichen; offenbar war sie unsicher, was für Nachrichten sie von mir zu erwarten hatte.
»Ich bin am Flughafen«, sagte ich. »Ich fliege nach Seattle.«
Ich hörte, wie sie tief Luft holte. »Wieso?«
»Ich habe eine Spur. Alles weist darauf hin, dass Syd in Seattle ist.«
Ich erzählte ihr, was passiert war. Sie hörte mir zu, unterbrach mich ein paarmal mit Fragen. Ob ich Kip Jennings informiert hatte? Ob diese Frau vertrauenswürdig war?
Ich beschwichtigte sie. Alles war in bester Ordnung.
»Ich bezahle dir den Flug«, sagte sie.
»Mach dir keine Gedanken.«
»Eigentlich sollte ich mitkommen.«
»Du musst dich schonen.«
»Ich bin doch kein Krüppel, verdammt noch mal.«
»Im Augenblick schon.«
»Es geht schon wieder. Ich kann zwar noch keinen Marathon laufen, aber …«
»Lass mal. Ich kriege das schon allein hin.«
»Ich weiß. Ich würde sowieso nur die ganze Zeit hinter dir herhinken. Ich hoffe bloß, dass die Schmerzen nicht chronisch werden. Meine Hüfte tut immer noch höllisch weh, und mit dem Knie ist es auch nicht viel besser.«
»Hab einfach ein bisschen Geduld.«
»Und danke, dass du’s dir verkniffen hast.« »Was?«
»Irgendwelche Kommentare von wegen Parasailing und dass ich ja unbedingt so tun musste, als sei ich wieder achtzehn. Nett von dir, dass du’s mir nicht unter die Nase gerieben hast.«
»Vielleicht habe ich’s mir ja gedacht«, sagte ich. Sie lachte leise, schwieg dann aber.
»Suze?«, sagte ich.
»Ja, ich bin noch dran.«
»Was ist eigentlich mit Evan los?«
»Vergiss es, Tim. Er ist Bobs Sohn. Was soll ich sagen?«
»Aber mit dem stimmt doch irgendwas nicht. Er war kurz vorm Durchdrehen, als er aus deinem Büro kam.«
»Eigentlich ist er ein echt netter Junge.«
»Eigentlich?«
»Na ja … Ich kriege ihn sowieso so gut wie nie zu Gesicht. Er hockt den ganzen Tag in seinem Zimmer. An seinem Computer.«
»Wahrscheinlich chattet er mit irgendwelchen Freunden.«
»Nein«, sagte sie leise. »Es ist irgendwas anderes.«
»Pornos«, sagte ich. »Er sieht sich heimlich versautes Zeug an.«
»Nein«, erwiderte Susanne zögernd. »Das glaube ich nicht. Ich glaube, es ist etwas … Schlimmeres.«
»Hast du mal mit Bob darüber gesprochen?«
»Ja. Man kann eben nicht alles unter den Teppich kehren, nicht wahr?«
»Was meinst du?«
»Ich glaube, dass Evan uns bestiehlt.«
»Das Geld in deiner Büroschublade«, sagte ich. »Dir ist doch auch eine Uhr geklaut worden, oder?«
»Und Geld aus meiner Handtasche. Aber Bob meint, ich sei einfach durch den Wind und hätte die Sachen selbst verlegt.«
»Und was meinst du?«
»Dass er spinnt. Außerdem ist die Uhr wieder auf getaucht. Ich weiß genau, dass ich sie in meine Kommode gelegt hatte, und dann war sie plötzlich verschwunden. Und heute Morgen war sie auf einmal wieder da.«
»Was schließt du daraus?«
»Vielleicht hat Evan sie beim Pfandleiher versetzt. Und Bob hat die Uhr wieder ausgelöst.«
»Du meinst, er deckt ihn?«
»Bob stellt sich immer vor Evan.«
»Pack deine Sachen, Suze«, sagte ich. »Du kannst jederzeit in dein eigenes Haus zurückziehen.«
»Tolle Idee«, schnauzte sie mich an. »Einfach alles hinwerfen, ohne den anderen eine Chance zu geben. Würde dir so
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