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In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Blick über die Straße schweifen, hielt Ausschau nach Syd, konnte sie aber nirgends entdecken. Dann betrat ich das Second Chance.
    Auch dort war von Syd keine Spur. Etwa zwei Dutzend Teenager – in Wahrheit waren manche schon Mitte zwanzig, und einen hätte ich auf Anfang dreißig geschätzt – hingen herum. Anscheinend nahm ich sie etwas zu auffällig ins Auge, da mir einige demonstrativ den Rücken zuwandten.
    Eigentlich hatte ich so etwas wie einen Empfang erwartet. Stattdessen erspähte ich am anderen Ende des Raums einen behelfsmäßigen Tresen – eine alte Tür auf zwei Sägeböcken –, hinter dem ein Mann von Ende dreißig saß, der durch seine Nickelbrille auf den Bildschirm eines Computers starrte. Er trug Karohemd und Jeans und hatte sein schütteres Haar zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden.
    »Hallo«, sagte ich.
    Er hielt einen Finger hoch und tippte noch ein, zwei Worte. »Senden«, sagte er dann. Eine gedämpfte Fanfare ertönte, dann wandte er sich zu mir. »Ja?«
    »Mein Name ist Tim Blake«, sagte ich. »Ich bin gerade aus Connecticut gekommen.«
    »Schön für Sie«, gab er zurück.
    Ich war nicht in der Laune für coole Sprüche, hielt mich aber zurück. »Ist Yolanda Mills da?«
    »Was für ’ne Yolanda?«, sagte er.
    »Yolanda Mills. Sie arbeitet hier.«
    »Das wäre mir neu.« Er zuckte mit den Schultern, als wolle er damit sagen, dass es ihm piepegal war, wer hier sonst noch arbeitete. »Kann ich sonst was für Sie tun?«
    »Ich bin auf der Suche nach meiner Tochter«, sagte ich. »Sie heißt Sydney Blake. Soweit ich weiß, ist sie letzte Woche zweimal hier gewesen. Ihre Mutter und ich machen uns große Sorgen. Moment, ich habe ein Foto dabei.«
    Ich kramte in meiner Jacke und förderte eins der Bilder zutage, die ich mitgenommen hatte. Er betrachtete das Foto mit gelangweiltem Blick.
    »Nie gesehen«, sagte er.
    »Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte ich.
    »Len.«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich das Bild etwas genauer anzusehen, Len?«
    Widerwillig riskierte er einen zweiten Blick. »Hier kommen so viele Kids her, dass ich mir unmöglich alle Gesichter merken kann. Kann sein, dass sie hier war, aber ich erkenne sie nicht wieder.«
    »Sind Sie jeden Tag hier?«
    »Nein. Vielleicht hat sie reingesehen, als ich freihatte. Woher wissen Sie denn, dass sie hier gewesen sein soll?«
    Ich zögerte, da ich ihm nicht gleich auf die Nase binden wollte, dass Yolanda mich informiert hatte – möglich, dass sie irgendeiner Form von Schweigepflicht unterlag. Jede Wette, dass sich die Kids hier deshalb wohl fühlten, weil sie davon ausgehen konnten, dass die Betreiber des Zentrums sie nicht gleich an ihre Eltern verpetzten.
    »Nun ja«, sagte ich ausweichend. »Jemand hat mir eine Nachricht auf der Website hinterlassen, die ich nach dem Verschwinden meiner Tochter eingerichtet habe. Anscheinend ist sie hier gesehen worden. Und daraufhin habe ich mich mit Yolanda Mills in Verbindung gesetzt.«
    »Verstehe«, sagte Len.
    »Ist Yolanda für heute schon nach Hause gegangen?«
    »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich sie nicht kenne.«
    »Hat sie heute frei? Oder vielleicht eine andere Schicht?«
    »Wie war der Name noch mal?«
    »Yolanda Mills.«
    Len sah mich ratlos an. »Und die soll hier arbeiten?«
    »Das hat sie mir gesagt.«
    »Haben Sie mit ihr persönlich gesprochen?«
    »Ja. Am Telefon.« Allmählich beschlich mich ein äußerst ungutes Gefühl.
    »Sekunde mal.« Len stand auf und verschwand in einem Gang mit dunkelgrün gestrichenen Wänden, an denen Dutzende von Notizzetteln klebten. Ich sah, wie er einen Raum betrat. Nach zwanzig Sekunden kam er bereits wieder heraus.
    »Hier arbeitet niemand, der so heißt«, sagte er.
    »Unmöglich.« Mir wurde immer mulmiger zumute. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Mit wem haben Sie gerade gesprochen?«
    »Mit Lefty.« Als ich die Stirn runzelte, fügte er hinzu: »Morgan. Sie ist der Boss hier. Aber wir nennen sie bloß Lefty. Wollen Sie mit ihr reden?«
    »Ja.«
    »Na, super. Sie steht drauf, wenn sie bei der Arbeit gestört wird.«
    Er führte mich den Gang hinunter und steckte den Kopf zur Tür herein. »Der Typ will selbst mit dir sprechen, Lefty.«
    Sie musterte mich über einen Stapel von Aktenordnern. Ich schätzte sie auf Mitte, Ende vierzig, auch wenn ihr Haar bereits von grauen Strähnen durchsetzt war. Sie war dürr und trug einen blauen Pullover; als sie aufstand, sah ich, dass sie den Gürtel straff

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