In Todesangst
leise und öffnete sie wieder. Durch den Tränenschleier blickte ich auf das Navigationssystem. Wir befanden uns im Norden von Stratford, fast am Merritt Parkway. Eric fummelte eine Zigarette aus der Packung in seiner Jackentasche und steckte sie mit einem silbernen Feuerzeug an.
»Ich weiß, was in deinem Kopf vorgeht«, sagte er. »Am liebsten würdest du mir jetzt ins Steuer greifen und den Helden spielen. Aber glaub mir, mit einem wie dir werde ich spielend fertig. Du sitzt den ganzen Tag in deinem Ausstellungsraum, blätterst in Katalogen, füllst Formulare aus und laberst irgendwelche Pfeifen zu, damit sie dir deine Gurken abkaufen. Du hast keine Ahnung von Leuten wie mir. Und ich bin nicht allein. Also, mach besser keine Dummheiten – damit würdest du nicht nur dich selber, sondern auch deine Tochter gefährden, kapiert?«
»Ja«, sagte ich durch das Taschentuch.
»So, jetzt mal Klartext«, fuhr Eric fort und bleckte die Zähne zu einem Grinsen. »Die Sache mit Seattle war okay, aber mittlerweile ist die Situation eskaliert, klar?«
Langsam verstand ich überhaupt nichts mehr.
»Mal ’ne Frage«, sagte er. »Haben die Bullen das Koks überhaupt gefunden?«
»Ja«, sagte ich zögernd.
»Und wieso haben sie dich dann nicht hopsgenommen?«
»Weil sie sofort gemerkt haben, dass mir jemand was anhängen wollte.«
Er schlug mit der Faust gegen das Lenkrad. »Scheiße.«
»Warum haben Sie das Kokain bei mir versteckt?«, fragte ich.
Wütend schüttelte er den Kopf, ehe er beinahe philosophisch wurde. »Ganz ehrlich? Das war so ’ne Art Nachschlag. Zuerst ging es bloß darum, dich von der Bildfläche verschwinden zu lassen – für den Fall, dass deine Kleine bei dir zu Hause aufgekreuzt wäre.« Er grinste. »Aber nachdem du abgeflogen warst, hatte ich den Geistesblitz, deine Bude auseinanderzunehmen und dir das Koks unterzuschieben. Um dir noch ein paar andere Problemchen aufzuhalsen.«
Urplötzlich wurde er wieder stocksauer. »Diese Schwachköpfe von Bullen! Wir haben’s ihnen doch auf dem Silbertablett serviert! Die Bude auf den Kopf gestellt, als hätte jemand nach etwas gesucht – und dann das Koks in deinem Kopfkissen! Da braucht man doch wirklich nur eins und eins zusammenzuzählen. Wie blöd sind diese Knalltüten eigentlich?«
»Was habe ich Ihnen getan? Wieso wollten Sie, dass die Cops mich einbuchten?«
Ein weiterer Seitenblick. »Weil du nicht aufgehört hast, nach ihr zu suchen, und überall die Pferde scheu gemacht hast. War doch nur eine Frage der Zeit, bis sich daraus Probleme ergeben hätten.« Er schwieg einen Moment. »Du hast nicht zufällig ein Handy gefunden? Uns ist nämlich eins abhandengekommen.«
»Ja, habe ich.«
Eric zuckte mit den Schultern. »Na ja, auch egal. Wir brauchen es sowieso nicht mehr.«
Er lenkte den Civic auf die Auffahrt zum Merritt Parkway, der ostwärts führenden Schnellstraße. »So, gleich können wir die Kiste mal richtig ausfahren«, sagte er, während er einen Gang herunterschaltete und sich in den Verkehr einfädelte.
Meine Nase hörte allmählich auf zu bluten. Ich überlegte fieberhaft, was ich unternehmen sollte.
Eric musterte mich beiläufig. »Jede Wette, dass ich weiß, was du gerade denkst.«
Ich schwieg.
»Wieso hat sich deine Tochter nicht bei dir gemeldet? Warum hat sie nicht die Polizei informiert? Na, stimmt’s?«
»So was Ähnliches«, gab ich zurück.
»Tja, ich glaube kaum, dass ihr der Gang zu den Bullen viel einbringen würde.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wenn sie schlau ist, tut sie einfach so, als wäre nichts von alldem passiert.«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Brauchst du auch nicht.«
»Was wollen Sie von meiner Tochter? Was hat sie getan?«
»Sie ist jedenfalls nicht der kleine Engel, für den du sie hältst.«
Ich musste einfach wissen, was passiert war – egal, was es sein mochte.
»Was hat Syd getan?«, fragte ich. »Hat sie Ihnen etwas gestohlen?«
»Ach, Timmy, wenn’s nur das wäre«, sagte Eric. »In diesem Fall hätte sie sich doch bestimmt an ihren Daddy gewandt, oder?«
Ich antwortete nicht.
»Klar, wahrscheinlich geht ihr der Arsch auf Grundeis. Aber wenn du mich fragst, schämt sie sich vor allem.«
Ich starrte auf das blutige Taschentuch. Wir fuhren etwa eine Meile, ohne dass ein weiteres Wort fiel.
Dann brach Eric das Schweigen. »Wir nehmen jetzt die nächste Ausfahrt, und dann suchen wir uns ein hübsches Plätzchen im Wald, okay? Mir ist vorhin nämlich noch eine Idee gekommen,
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