In tödlicher Gefahr
mich besuchen kommen. Ich habe den Jungen Ewigkeiten nicht gesehen.“
Abbie versetzte es einen Stich. Denn erst vor zwei Tagen hatten sie gemeinsam mit Ben zu Abend gegessen.
7. KAPITEL
A ls Abbie ins Campagne zurückkehrte, wartete Brady bereits auf sie. „Da ist jemand, der dich sprechen möchte“, sagte er mit leiser Stimme. „Ein Mann. Er behauptet, er ist dein Bruder.“
Abbie straffte sich. War das Ians Vorstellung von ‚etwas Zeit lassen‘, wie er gesagt hatte? Weniger als zwölf Stunden? „Wo ist er?“
„Ich habe ihn in dein Büro geführt. Eigentlich wollte er lieber im Speisesaal sitzen und einen Lunch serviert bekommen. Seine genaue Wortwahl war: ‚Bring mir was Teures, und zwar gratis.‘“ Dass Brady Ian nicht sonderlich mochte, war offenkundig. „Du hast mir nie etwas von einem Bruder gesagt.“
„Er ist eigentlich mein Stiefbruder. Ich erzähle dir später von ihm.“ Sie ging auf ihr Büro zu. „Ich höre lieber mal, was er will.“
Abbie fand ihn an ihrem Schreibtisch stehend, ein gerahmtes Foto von Ben in der Hand. „Stell das hin!“ fuhr sie ihn an.
Beim Klang ihrer Stimme drehte Ian sich um. „Gut aussehender Junge. Sieht dir allerdings nicht ähnlich. Kommt wohl nach seinem Vater.“
Sie durchquerte den Raum, entriss ihm das Foto und stellte es wieder auf den Schreibtisch. „Ich möchte nicht, dass du herkommst, Ian.“
„Wäre es dir lieber, ich käme zu dir nach Hause?“
„Es wäre mir lieber, du würdest verschwinden!“
Erhobenen Hauptes spazierte Ian durch den Raum und blieb immer wieder stehen, um die Fotos zu begutachten, die überall standen. Dass er auf diese Weise Einblick in ihr Privatleben erhielt, war Abbie äußerst unangenehm. Sie hätte es lieber gesehen, wenn Brady ihn im Speisesaal bedient hätte, denn sie wollte nicht, dass er auch nur andeutungsweise an ihrem Leben teilhatte.
„Kann ich nicht machen, Schwesterchen“, sagte er und drehte sich um. „Wie ich gestern Abend bereits sagte, haben wir noch etwas zu erledigen.“ Er lachte gut gelaunt, als sei dieser Besuch eine harmlose Familienzusammenführung. „Ich sehe keine Bilder von deinem Ehemann. Du hast doch einen, oder?“
„Ich habe dir schon gesagt, mein Privatleben geht dich nichts an.“
Ergeben hob er die Hände. „Okay, okay, keine Aufregung, ich war nur neugierig.“ Er wartete einen Herzschlag lang, ehe er hinzufügte: „Hast du dir unser kleines … Arrangement überlegt?“
„Du erpresst mich, Ian. Das würde ich nicht als Arrangement bezeichnen.“
„Und ich würde es eher eine Rückzahlung nennen – für all das Elend, das ich deiner Mutter verdanke.“
„Sie hat dir nichts getan. Wie sich dein Leben entwickelt hat, ist allein deine Schuld.“
Er wischte die Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. „Das ist mir gleichgültig. Ich will nur wissen, ob du sie wegen des Feuers gefragt hast.“
„Nein.“ Abbie hoffte, dass er ihr die Lüge nicht anmerkte. „Ich habe keinen Anlass gesehen, sie aufzuregen, indem ich schmerzliche Erinnerungen wachrufe.“
„Du hast ihr nicht mal gesagt, dass ich hier bin?“
„Nein, Ian, habe ich nicht, aus genau demselben Grund.“
Er sah sie lange forschend an, als müsste er entscheiden, ob sie die Wahrheit sagte oder nicht. Da sie sich unter diesem Blick unbehaglich fühlte, sprach sie mit gespielter Selbstsicherheit weiter. „Offen gesagt, ich weiß gar nicht, warum ich noch hier stehe und mir deinen Blödsinn anhöre, da ich so viel zu tun habe.“
„Weil du verdammt gut weißt, dass du in dieser Sache keine Wahl hast.“ Sein Blick war hart geworden, und in der Stimme klang keine aufgesetzte Fröhlichkeit mehr mit. „Ich habe den Trumpf in der Hand, Abbie. Entweder du rückst das Geld raus, oder ich rufe den Staatsanwalt in Palo Alto an und erzähle ihm, dass deine Mutter eine kaltblütige Killerin ist.“
Nur Mut, Abbie, bluffe ihn, bleib hart. Wem wird die Polizei wohl eher glauben, zwei Knackis oder einer gesetzestreuen Bürgerin?
Einen Moment glaubte sie, es tun zu können. Wenn sie ihm zeigte, dass sie sich nicht einschüchtern ließ, würde er nachgeben. Doch obwohl ihr die Worte schon auf der Zunge lagen, blieb sie stumm. Abschätzend sahen sie einander an und warteten, wer als Erster zurückstecken würde.
„Weißt du was?“ Ian holte sein Handy aus der Hemdtasche. „Da du immer noch Zweifel hast, stelle ich dir den Kontakt zu Earl her. Er wird dich überzeugen.“
Sie wollte etwas einwenden, doch
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