In tödlicher Gefahr
Rückhand schlagend, den Mund. „Ich habe dich gewarnt, stimmt’s? Und ich habe dir gesagt, was passiert, wenn du mich verarschst.“
Ian hatte keine Chance zu antworten. Mit dem Ausdruck reinsten Vergnügens rammte Arturo ihm die Klinge in den Bauch. Nicht ein oder zwei Mal, sondern in einer Folge heftiger Stöße, jeder gefolgt von einem lauten Aufstöhnen.
Schmerz explodierte in Ians Körper. Er spürte weder Regen noch Angst, nur den Schmerz: heiß, roh und unerträglich.
Die Bäume über ihm begannen sich zu neigen, zuerst nach rechts, dann nach links. Ian hob den Kopf vom Boden in dem verzweifelten Versuch, um Hilfe zu rufen. Doch er brachte die Kraft nicht auf, ein einziges Wort zu formen, und ließ mit dumpfen Aufprall den Kopf wieder fallen.
Ein großer Schatten stand über ihm. Arturo? Er wollte mit ihm reden, doch er konnte nichts mehr herausbringen. Die Bäume begannen wieder ihren verrückten Tanz und drehten sich schneller und schneller.
Ian krallte beide Hände in den Bauch, von wo der Schmerz ausstrahlte. Er brauchte Hilfe. Jemand musste stoppen, was hier mit ihm geschah. Seine Lippen bewegten sich, als seine Lungen um Luft kämpften, doch seltsamerweise ließ der Schmerz nach, je schwächer er wurde. Das musste ein gutes Zeichen sein. Vielleicht hatte die Glücksgöttin beschlossen, noch einmal auf seiner Seite zu stehen.
Er hätte lachen mögen. Denn er war immer ein Hurensohn mit verdammt viel Glück gewesen.
In der Ferne hörte er einen Automotor. Jemand kam, um ihn zu holen. Es würde alles gut werden. Er musste nur ruhig liegen bleiben und Energie sparen, dann würde alles gut. Der Schmerz war jetzt fast verschwunden, und die Bäume hatten aufgehört, sich zu drehen.
Erleichtert schloss er die Augen.
15. KAPITEL
D ie Hektik in der Küche des Campagne hatte nicht einen Moment nachgelassen. Doch für Abbie, die nur noch ein Nervenbündel war, verging der Abend quälend langsam. Mehr als alles andere wünschte sie sich, dass der Tag vorüber wäre und ihr Leben wieder seinen normalen Verlauf nähme.
Um Viertel vor zehn band sie die Schürze ab, warf sie in den Wäschekorb und versuchte so gelassen wie möglich zu wirken, obwohl sich ihre Pulsfrequenz in den letzten Minuten vermutlich verdreifacht hatte.
„Gehst du früher?“ fragte Brady.
„Ja.“ Sie wich seinem Blick aus. „Tiffany muss für die Abschlussarbeiten büffeln, und ich habe ihr versprochen, früher zu kommen. Es macht dir doch nichts aus, abzuschließen, oder?“
„Natürlich nicht.“ Er warf einen Blick auf den Lederranzen, den sie zusammen mit ihrer Tasche über der Schulter trug. „Sieht schwer aus. Soll ich ihn dir zum Wagen tragen?“
„Nein, ich komme schon klar.“ Das war maßlos übertrieben. Sie hatte Angst und atmete so schnell, dass sie fürchtete zu hyperventilieren.
Da Brady sie weiterhin forschend ansah, drückte sie ihm rasch beschwichtigend den Arm und fragte sich, ob er ihr die Nervosität anmerkte. Er war sehr einfühlsam. Bisher war sein sechster Sinn stets Anlass für fröhliche Späße zwischen ihnen gewesen, doch heute fand sie ihn eher beunruhigend. Um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen, wünschte sie allgemein eine gute Nacht und verschwand.
Glücklicherweise war der Albtraum bald vorüber. In zwanzig Minuten würde sie wieder zu Hause sein, ihren Jungen wie jeden Abend auf die Stirn küssen, und Ian säße im Bus nach irgendwo.
Der Regen war stärker geworden, nahm ihr die Sicht und zwang sie, langsam zu fahren. Doch selbst bei gemächlicher Fahrt brauchte sie nicht länger als acht Minuten zum Carnegie See. Tagsüber war in diesem Bereich der Route 27 dichter Verkehr. Heute Abend war es auf Grund des Regens und der späten Stunde relativ ruhig.
Mehrere große Felsbrocken markierten die Einfahrt zum Parkbereich. Abbie fuhr im weiten Bogen darum herum, ließ den Acura rollen und spähte auf der Suche nach Ian durch die nasse Windschutzscheibe. Zu ihrer Linken lag das Bootshaus, in dem das Ruderteam der Universität seine Ausrüstung lagerte. Genau vor ihr befand sich ein dicht bewaldeter Bereich zwischen Seeufer und Straße.
Ian war nirgends zu sehen.
Sie ließ den Wagen langsam auf die Bäume zurollen und hielt an. Eine Hand auf der Tasche, um notfalls rasch die Waffe ziehen zu können, drückte sie einen Knopf an der Tür. Lautlos glitt die Seitenscheibe halb hinunter, und sie steckte den Kopf heraus. „Ian!“ rief sie. „Bist du da?“
Keine Antwort.
Die Kehle trocken
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