In tödlicher Gefahr
verstecken müssen.“
„Und was machen wir dann?“
Lustig, dachte Tony, jetzt, wo er ernsthaft in der Klemme steckt, heißt es plötzlich „wir“ und nicht mehr „ich“.
„Wir verhalten uns ruhig und warten ab, bis sich der Aufruhr legt. Sobald es sicher für uns ist, verschwinden wir.“
„Ohne mein Geld fahre ich nirgendwohin.“
Tony hätte ihm am liebsten die Flasche entrissen und ihm damit Vernunft in den Schädel geprügelt. „Und wie willst du es bekommen? Hast du etwa vor, auch McGregors Schwester umzubringen?“
„Ich tue, was nötig ist, und kriege mein Geld.“
„Das ist nicht ‚dein Geld‘!“
„Sie wollte es McGregor geben, stimmt’s? Jetzt kann sie es mir geben.“ Er hob die Flasche wieder an den Mund. „Und das wird sie, wenn sie weiß, was gut für sie ist.“
Abbie stand mit weichen Knien da und wartete, bis Tiffany abgefahren war, dann schloss sie die Haustür und lehnte sich dagegen. Die Ereignisse der letzten halben Stunde waren ihr immer wieder beängstigend deutlich durch den Kopf gegangen, und obwohl sich ihr Pulsschlag normalisiert hatte, wurde sie noch von zu vielen widersprüchlichen Gefühlen gebeutelt, um klar denken zu können.
Am See war irgendetwas schief gegangen, aber was? Wer war der Kerl, der sie angegriffen und das Geld verlangt hatte? Offenbar wusste er von der Zahlung, sonst wäre er nicht dort gewesen. Vielleicht hatte Ian seinetwegen vor ein paar Stunden so eindringlich flüsternd angerufen und den Plan geändert. Aber nicht er, sondern dieser Wilde war an seiner Stelle zum Treffpunkt gekommen.
Earl Kramer konnte es ihrer Einschätzung nach nicht gewesen sein. Dass ein Todeskandidat innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden aus dem Gefängnis entwichen sein konnte, erschien ihr sehr unwahrscheinlich.
Aber wenn nicht Kramer, wer hätte sie dann wegen des Geldes töten wollen? Und was noch wichtiger war: Wie sollte sie das herausfinden?
16. KAPITEL
D etective John Ryan vom Morddezernat musste drei Mal um die FitzRandolph Academy herumfahren, ehe er endlich einen Parkplatz fand. Er hätte in der zweiten Reihe parken können, wie es die meisten Polizisten taten, wenn sie rasch irgendwohin mussten. Doch das hier war die Schule seines Sohnes, und es machte keinen guten Eindruck, wenn ein Vertreter von Recht und Gesetz die Regeln brach.
Die Hände in den Hosentaschen vergraben, stand er einen Moment vor dem weitläufigen dreistöckigen Backsteingebäude mit dem bekannten Logo über dem Eingang – dem Profil von Nathaniel FitzRandolph, einem Großgrundbesitzer aus dem achtzehnten Jahrhundert und frühen Wohltäter der Stadt.
Obwohl die Privatschule zweifellos eine der besten Lehranstalten an der Ostküste war, hätte er seinen Sohn nicht unbedingt hierher geschickt. Da er von Natur aus etwas altmodisch war, glaubte er daran, dass eine wohlabgerundete Erziehung nur in einer öffentlichen Schule geboten wurde.
Doch seine Frau – Exfrau inzwischen – hatte darauf bestanden, dass Jordan feste Regeln und Disziplin brauche, etwas, das öffentliche Schulen nicht boten. Jordan fühlte sich hier allerdings nicht wohl, und man begann es zu merken. Das war in diesem Jahr bereits Johns zweiter Besuch bei der Direktorin. Der Anlass des ersten Treffens im Januar waren Jordans nicht erledigte Hausaufgaben gewesen. Und nun hatte der energiegeladene Neunjährige einem Mitschüler offenbar eins auf die Nase gegeben. Clarice war ebenfalls informiert worden und wollte ihn anrufen, sobald sie Zeit hatte. Ausgeschlossen, dass sie wegen eines Schulproblems eine wichtige Konferenz verließ.
Langsam ging John auf den Haupteingang zu. Gleichgültig, was Clarice dachte, Jordan war nicht schwierig. Er trat ein wenig leidenschaftlicher als andere für Dinge ein, die ihm wichtig waren, und das brachte ihm gelegentlich Schwierigkeiten ein. Aber ansonsten war er ein guter Junge.
John wusste, dass die Kinder von geschiedenen Eltern mehr Aufmerksamkeit brauchten als andere. Deshalb versuchte er, so viel Zeit wie möglich mit seinem Sohn zu verbringen. Er fuhr mit ihm zum Angeln, holte ihn an freien Tagen von der Schule ab und trainierte sein Baseballteam, wenn er zwischen zwei Schichten ein paar Stunden freihatte.
Nachdem er mit Clarice über die Trennung einig geworden war, hatte er eine Weile erwogen, das Sorgerecht für Jordan zu beantragen. Zum einen, weil er ihn gern ganz bei sich gehabt hätte, aber auch, weil Clarice fast noch mehr berufliche Termine hatte als er
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