In tödlicher Gefahr
B wie Bindung.
Vor sich hin brummelnd, trocknete er sich ab, schlang sich das Badetuch um die Hüften und ging barfuß in die Küche, um sich die dringend notwendige Tasse Kaffee zu holen.
Er würde einen Weg finden, Abbie DiAngelo wiederzusehen. Bis dahin durfte er jedoch eine andere wichtige Person im Fall McGregor nicht aus den Augen verlieren – Liz Tilly. Vielleicht war Schwester Nummer zwei freigebiger mit ihrem Wissen als Schwester Nummer eins.
Zu Abbies Überraschung blieb Rose in Pattersons Beerdigungsinstitut stoisch und gefasst. Nachdem sie einen bescheidenen Sarg ausgesucht und alles veranlasst hatte, damit der Bestatter den Leichnam aus dem Leichenschauhaus holen konnte, beglich sie die Rechnung und versprach, einen Anzug zu bringen, in dem man Ian beerdigen könne.
„Hat Ian einen Anzug?“ fragte Abbie, als sie das weiße Stuckgebäude verließen.
„Nein.“ Rose’ Wangen röteten sich. „Ich habe das nur versprochen, weil es mir peinlich war zu sagen, dass er keinen hat. Ich glaube, Ian hat in seinem ganzen Leben noch keinen Anzug besessen.“
„Haben Sie seine Sachen durchgeschaut? Vielleicht ist etwas Passendes dabei?“
Rose schüttelte den Kopf. „Er besaß nur das, was ich ihm vor der Abreise aus Toledo gekauft habe. Jeans, ein paar Shirts und Laufschuhe.“ Sie holte ihre Brieftasche hervor und zählte ihre Banknoten. „Ich habe genug, ihm eine Hose, Hemd und Schuhe zu kaufen.“
„Haben Sie nicht gesagt, Liz will alles bezahlen?“
„Nicht alles. Sie hat mir nur das Geld für den Sarg und die Grabstätte geschickt. Ich habe ihr versichert, mich um den Rest zu kümmern.“ Besorgt blickte sie auf. „Werden fünfzig Dollar für die Kleidung genügen?“
Abbie drückte ihr den Arm. „Ich kenne das richtige Geschäft. Kommen Sie.“
Eine halbe Stunde später kamen sie mit einer marineblauen Hose, einem weißen Hemd und schwarzen Schuhen aus dem Carlton, einem Discountladen an der Route 206. Als Rose an der Kasse ihre Brieftasche ziehen wollte, übernahm Abbie die Rechnung. „Es ist nur ein kleiner Beitrag. Lassen Sie mich das bitte machen.“
Die Geste überraschte sie selbst fast mehr als Rose. Und die Vorstellung, dass Ian in Kleidung beigesetzt werden würde, die sie bezahlt hatte, war sogar irgendwie lächerlich. Aber sie hatte es nicht für ihn getan, sondern für seine Freundin.
Vom Geschäft fuhren sie zunächst zum Hillside-Friedhof und wählten eine kleine Grabstätte aus, dann ging es weiter zu Abbies Kirche. Reverend Barfield erklärte sich bereit, eine kleine Grabandacht zu halten.
Während Abbie Rose zum Motel zurückfuhr, war sie beinahe versucht zu fragen, ob sie bei der Durchsicht von Ians Sachen auf einen Brief gestoßen sei, den ihre Mutter vor Jahren geschrieben hatte. Falls ihr Stiefbruder ihn tatsächlich dabeigehabt hatte, müsste er im Motel sein. Denn wäre er bei der Leiche entdeckt worden, hätte Detective Ryan bestimmt etwas gesagt.
Doch sie schwieg, als sie den Wagen vor Apartment 11 anhielt. Den Brief zu erwähnen, um dann zu erklären, warum sie ihn haben wollte, war zu riskant. Sie musste darauf hoffen, dass er nie auftauchte, oder auf eine Gelegenheit warten, Ians Sachen selbst durchzusehen.
Rose, die neben ihr saß, griff nach den beiden Einkaufstaschen auf dem Rücksitz. „Ich kann Ihnen gar nicht genug für alles danken, Abbie. Ohne Sie wäre ich verloren gewesen.“
„Freut mich, dass ich helfen konnte.“ Sie deutete auf die Taschen in Rose’ Armen. „Brauchen Sie Hilfe?“
„Nein, geht schon. Und Sie müssen an Ihre Arbeit zurück.“
„Dann sehen wir uns Mittwochmorgen auf dem Friedhof.“
Rose nickte, blieb aber noch sitzen. Sie öffnete die große Tasche zu ihren Füßen und suchte offenbar etwas darin. „Als ich Ians Sachen durchsah, habe ich das hier gefunden.“
Abbie hielt den Atem an.
„Einen Brief.“ Rose holte ein gefaltetes, durch Alter vergilbtes Blatt Papier hervor. „Ihre Mutter hat ihn vor langer Zeit geschrieben“, sagte sie beiläufig, als habe der Brief keine Bedeutung. „Ich weiß nicht genau, worum es dabei geht und warum Ian ihn besaß.“ Sie richtete sich auf und übergab ihn Abbie. „Aber ich denke, Sie sollten ihn haben.“
Sprachlos nahm Abbie ihn entgegen und war erleichtert. Aber ihr war auch beklommen bei dem Gedanken, das einzige Beweisstück in Händen zu halten, das ihre Mutter mit einem kaltblütigen Mord in Verbindung bringen konnte. „Danke“, sagte sie im Flüsterton.
Sie
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