In tödlicher Gefahr
es sich gehört.“
Abbie nickte. Zwar wäre es ihr lieber gewesen, keinen Kontakt zwischen Liz und Irene herzustellen, zumal sie nicht einschätzen konnte, was Ian seiner Schwester erzählt hatte, doch Irenes Bitte überraschte sie nicht.
Ihre Mutter hatte Ian und Liz von Anfang an wie eigene Kinder behandelt, sie vor den Wutausbrüchen des betrunkenen Vaters geschützt und ihre Verfehlungen sogar gedeckt, damit sie keinen Ärger mit ihm bekamen. Abbie wusste nicht, ob Irene sich an den Vorfall mit dem Brief erinnerte, hatte jedoch nicht vor, das Thema zu erwähnen. Geschweige denn Ians Erpressung. Seit Dennis Marjolis ihr nüchtern die juristischen Fakten erklärt hatte, war sie entschlossen, ihre Mutter aus der Sache herauszuhalten. Mit etwas Glück hatte Ian seine Anschuldigungen mit ins Grab genommen, und da sollten sie auch bleiben.
22. KAPITEL
J ohn stand unter dem kräftigen, heißen Wasserstrahl und konnte nicht entscheiden, was ihm mehr zusetzte – seine Vermutung, dass Abbie DiAngelo gelogen hatte, oder die Tatsache, dass sie ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.
Der Polizist in ihm wollte das Erste glauben, aber warum machte er sich etwas vor? In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er sich wie ein Vollidiot benommen. Er hatte Abbies Restaurant angewählt und nach dem ersten Klingeln aufgelegt, weil er nicht wusste, was er sagen sollte, falls sie abheben würde. Dann war er am Palmer Square herumgefahren, in der Hoffnung, einen Blick von ihr zu erhaschen. Danach hatte er sich auf die Webseite des Campagne eingeloggt, um zu sehen, was er sonst noch über die rätselhafte Miss DiAngelo erfahren konnte. Er hatte sogar fantasiert, ob ihre Haut so zart war, wie sie aussah, oder ob sie so gut schmeckte, wie sie roch. Teenagerkram, so lächerlich, dass sich ein vernünftiger erwachsener Mann dessen schämen müsste.
Er konnte sich jedoch nicht erinnern, wann ihn eine Frau zum letzten Mal derart beeindruckt hatte.
Nicht, dass es ihm an Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht mangelte, im Gegenteil. Dank seiner wohlmeinenden Freunde im Präsidium hatte es in den letzten beiden Jahren eine Reihe von „Blind Dates“ gegeben – einige interessant, einige viel versprechend, andere schlichtweg beängstigend. Warum hielten bloß so viele Frauen Polizisten für verlorene Seelen, die gerettet werden mussten?
Er liebte seinen Job. Fast hätte er sich mit seiner Familie überworfen, als er in den Polizeidienst eingetreten war, anstatt, wie sonst bei den Ryans üblich, zum Militär zu gehen. Wenn also eine Frau ihr Bedauern äußerte, dass ein Mann wie er mit seinem klugen Verstand seine Fähigkeiten bei der Polizei verschwende und er etwas Lohnenderes anstreben solle wie zum Beispiel die Leitung eines Unternehmens, dann hatte er keine Gewissensbisse, eine Beziehung zu beenden, ehe sie richtig begann.
Seine Freunde schimpften ihn bereits den wählerischen John. Aber sie irrten sich. Er war nicht wählerisch. Ihm gefiel nur nicht, wenn eine Frau, und mochte sie noch so klug und schön sein, geringschätzig über das redete, womit er seinen Lebensunterhalt bestritt.
Warum also war er, um Tinas Wort zu benutzen, so verdammt hingerissen von Abbie DiAngelo? Außer dem, was Jordan ihm erzählt hatte, wusste er nichts von ihr. Mal abgesehen davon, dass sie keine gute Lügnerin war. In ihrem Büro hatte er sofort bemerkt, dass sie nicht mehr dieselbe war, die ihn zuvor am Tisch begrüßt hatte. Sie war blasser, ihre Atmung unregelmäßiger, und nach wenigen Minuten Unterhaltung hatte sie einen leichten Schweißfilm auf der Stirn gehabt.
Trotzdem war sie aufregend und von einer unterschwelligen Energie, die er erstaunlich und verführerisch fand. Törichterweise wünschte er bereits, jemand anders untersuche den Mord an Ian McGregor.
Er kippte sich Shampoo in die Handfläche und massierte es heftig in die Haare ein. Währenddessen überlegte er, wo sich Arturo Garcia aufhalten könnte, der im Augenblick sein Hauptverdächtiger war. Und dachte sogleich noch intensiver an Abbie DiAngelo.
Unwirsch schob er sich mit den Händen das feuchte Haar aus der Stirn. Was, zum Teufel, war eigentlich los? Hatte er zu lange allein geschlafen, dass eine Frau, die er kaum kannte, bereits erotische Gedanken bei ihm auslöste?
Ging es am Ende nur um Sex? Wenn das der Fall war, würde er damit fertig. Aber es waren Gefühle, die ihm Sorge bereiteten. Er könnte sich verlieben. Das große L, wie Tina sich ausdrückte, gefolgt vom großen
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