In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ihrer beiden Beutestücke verlustig, eiferte weiter. Da taten die beiden Trupps unter dem Befehl eines Leutnants ihre Kräfte zusammen, warfen sich auf das Gesindel, in großer Wut darüber, daß ihr Hauptmann so hinterhältig angegriffen worden war.
Als sich die Soldaten zurückzogen, lag ein Dutzend von diesen Lumpenhunden blutend auf dem Pflaster. Man brachte sie uns in die Apotheke zum Verbinden. Und wir stellten fest, daß sie gar nicht aus Montpellier waren, sondern Bauern aus den umliegenden Dörfern (das flache Land war – im Gegensatz zur Stadt – durchweg katholisch). Eingefleischte Papisten hatten sie aufgewiegelt und eigens in die Stadt geführt, um diesen Aufruhr zu stiften.
Nachdem ich Meister Sanche und Fogacer geholfen hatte, mit Weingeist diesen Unglücklichen – sie waren Opfer des ihnen eingepflanzten Hasses – die Wunden auszuwaschen, kehrte ichin mein Zimmer zurück, alsbald gefolgt von Fogacer, der zu mir sprach:
»Es liegt nun auf der Hand: man benutzt den gottlosen armen Narren, um auf die Hugenotten zu zielen. Rührt Euch nicht fort von hier, und haltet Euer Pferd gesattelt. Mit grausamem Eifer werden sie Cabassus foltern. Und das ganze Provinzialgericht ist zugegen. Falls Cabassus Euern Namen nennt, eile ich herbei und melde es Euch.«
Ich vermochte ihm kaum zu danken, so schnell war er verschwunden. Ich versuchte, mich in meine Arbeit zu vertiefen, doch es wollte mir nicht gelingen: mir tosten die Ohren von dem Brüllen, das Cabassus unter der Folter ausstoßen würde. Da warf ich mich auf meine Pritsche und vergoß wieder Tränen, die mich dennoch nicht erleichterten, weil ich sie nicht nur um meinetwillen vergoß.
Nach einer Weile kam mir der Gedanke, Miroul zu Carajac und Merdanson zu schicken, damit wir drei im Ernstfall beieinander wären, um uns bewaffnet von der Apotheke zum Palais Joyeuse zu begeben; denn die gleichen Leute, die Cossolat angegriffen hatten, konnten uns, wenn sie erst unsere Namen wußten, einen ähnlichen Hinterhalt legen, um dem Lauf der Gerechtigkeit vorzugreifen.
Carajac und Merdanson, schicklich gekleidet, erreichten die Apotheke auf getrennten Wegen und schienen sehr erleichtert, daß sie in dieser schlimmen Lage meine Gesellschaft genossen und das Palais Joyeuse ihnen als Fluchtort offenstand. Ich befahl Miroul, seinen Araber und Albière zu satteln, denn meine Accla hatte ich an Fogacer verliehen, damit er schnell zurückkäme von dem geheimen Ort, wo er seinen Freund treffen sollte. Dann verteilte ich die Waffen unter uns dreien, jeder bekam zwei geladene Pistolen und einen Degen.
Die vierte Stunde mochte geschlagen haben, als ich das vertraute Geklapper meiner Accla auf dem Pflaster hörte. Ich beugte mich aus dem Fenster, und Fogacer, der zu mir hochschaute, nickte ernst mit dem Kopf.
»Freunde, er hat unsere Namen genannt! Verschwinden wir!« rief ich.
In halsbrecherischer Eile rannten wir die Treppe hinunter. Fogacer übergab mir meine Accla, und schon saßen wir im Sattel, keinen Augenblick zu früh, denn als wir den Pferden dieSporen gaben, tauchte in der Rue de la Barrelerie bedrohlich ein Trupp Männer auf, dem Anschein nach etliche der Bauersleute vom Vormittag. Fogacers Freund hatte nicht als einziger geplaudert: die Gegner wußten, wer wir waren, und handelten prompt.
»Fort hier!« rief ich.
Und unsere drei Pferde jagten über das Pflaster davon.
ZWÖLFTES KAPITEL
Madame de Joyeuse fühlte sich unpäßlich, und obwohl es erst früher Nachmittag war, hatte sie, als sie mich empfing, bereits ihr Nachtgewand an und sich niedergelegt.
»Ach, Pierre, ich bin nicht mehr, was ich einmal war. Es gab Zeiten, da fühlte ich mich nach einem kleinen Nachtmahl von zwölf Gerichten und zwei oder drei Flaschen guten Weins am nächsten Morgen frisch wie eine Blume im Morgentau. Die Zeiten sind dahin. Was habe ich gestern gespeist? Eigentlich nichts: ein paar Bigorrer Würstchen, drei oder vier Scheiben Schinken, eine halbe Flußforelle, einen in Lauch gebratenen Kapaun, eine Eierspeise, Mandeltörtchen und etliche Süßigkeiten, auf die ich so versessen bin. Sehr wenig Wein: eine Flasche Rose und zwei oder drei Glas Frontignan. Was ist das schon! Und da liege ich nun, mein Pierre, die Leber in Aufruhr, der Magen grollend, und was das Schlimmste ist, mein armer Schatz: ein Teint zum Grausen, trotz aller Schminke.«
»Madame«, sagte ich, »warum soviel Selbstverleugnung? Ich weiß nicht, was sich in Euerm Innern abspielt, außen aber seht
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