In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Der Bischof bejahte mit sehr leiser Stimme, dabei sich seine Pein zu verdoppeln schien.
Die beiden Domherren nahmen Cabassus bei den Armen, führten ihn in die Mitte der Bühne, vor den Bischof, und begannen ihm die geistlichen Gewänder auszuziehen, wobei sie in Latein Gebrauch und Symbolik dieser Gewänder erklärten. Die mit Goldstickerei verzierte Kasel aus Purpurseide wurde ihm von den Schultern gehoben, ein junger Priester nahm sie auf seinen vorgestreckten Armen wie einen Kultgegenstand entgegen. Dann faßten die beiden Domherren die Stola, streiften sie ihm über den Kopf und ließen sie der Kasel folgen, hin auf die unverwandt vorgestreckten Arme des jungen Priesters. Schließlichbefahlen sie Cabassus, die Arme zu heben, und zogen ihm das Chorhemd aus. Da stand der Ärmste nun in Beinkleidern, worauf ein Geistlicher mit sehr verschlissener weltlicher Kleidung zu ihm trat und ihm half, sich wieder anzukleiden.
Es folgte ein Priester mit einem Schemel. Einer der Domherren befahl Cabassus, sich zu setzen, und der andere schabte ihm mit einer Metallklinge über die Tonsur. Ein wohl eher symbolisches Schaben, da Cabassus an dieser Stelle seines Schädels kahl war, sich allenfalls die Haut wegschürfen ließ. Weiterem Befehle folgend, reichte dann Cabassus dem Domherrn seine Rechte hin mit vorgestrecktem Zeige- und Mittelfinger; auch über diese Finger schabte der Domherr und erklärte den vom Wege abgekommenen Abbé der Vollmacht zur Erteilung des Segens verlustig – dies war der letzte Akt der langen Zeremonie. Das Volk schaute in atemloser Stille zu. Manche der niederen Priester waren bis zu Tränen gerührt, während andere grimmige Miene zeigten, den armen Cabassus voll Abscheu musterten.
Es erhob sich jener große Domherr, der den Spruch des geistlichen Gerichts verlesen hatte, und fragte, an den Bischof gewandt, was mit diesem Mann, der nicht mehr Priester war, zu geschehen habe. Der Bischof antwortete mit schwacher Stimme: »Er möge dem weltlichen Arm überstellt werden.«
Da schlug der Pfarrer von Saint-Denis die Hände vors Gesicht, wie in Kummer und Scham, daß ein Priester seiner Pfarrei solche Erniedrigung erfuhr. Doch der Bischof flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, die ihn zu besänftigen schienen. Der große Domherr gab nun Cossolat ein Zeichen, und Cossolat ließ seine Wache, in Doppelreihe vor die Podeststufen marschieren, stieg hinauf, grüßte sehr ehrerbietig den Bischof, der sich abwandte und ihm kaum Erwiderung tat. (Ich begriff sehr wohl warum, manch einer der Priester wollte Cossolat, den Ketzer, in gleicher Weise brennen sehen wie Cabassus, den Gottesleugner.) Cossolat, mit Helm und Harnisch angetan, zeigte sich gänzlich ungerührt, eher noch hatte er einen Anflug von Grinsen im Gesicht, als dünkte ihn der hier entfaltete papistische Pomp eine Art Karneval.
»Monseigneur, soll ich diesen Mann verhaften?« fragte er.
Der Bischof, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, nickte kurz. Cossolat trat vor und legte seine flache Hand auf Cabassus’Schultern. Cabassus hatte sich während seiner Degradation ruhig und gefaßt gezeigt, und er blieb auch unerschütterlich, als er dem weltlichen Gericht überstellt wurde, obschon er sich über die Folgen klar war. Ohne Gegenwehr ließ er sich die Stufen hinabführen, wo die Menge, bisher stumm und still, jäh ins Toben geriet und sich auf ihn stürzen wollte: »Tod dem Gottlosen! Tötet ihn!«
Cossolat rief einen Befehl, woraufhin seine Soldaten die Piken senkten, sie mit beiden Händen vor ihre Brust hielten als Barrieren gegen das blutrünstige Gesindel. Mit gezücktem Degen, Cabassus neben sich, schritt Cossolat durch das Soldatenspalier und erreichte einen vorsorglich in zwanzig Klaftern Entfernung bereitgestellten Wagen. Aber kaum hatte er ihn mit Cabassus bestiegen, warfen sich die vorgeblichen Gaffer (denn der Tumult schien inszeniert) gegen die Räder, wollten den Wagen umwerfen. »Tod dem Gottlosen! Tötet den Hugenotten!« schrien sie. Cossolat beugte sich aus dem Wagen und teilte mit der flachen Klinge (ein bißchen auch mit der Degenspitze, wie ich sehen konnte) Hiebe aus. Auf sein Kommando eilte ein starker, in der Rue de la Barrelerie versteckt postierter Trupp zu Hilfe, attackierte das Gesindel von hinten, und bald war die Menge zerstreut. Cossolat hieß seinen Sergeanten die Pferde peitschen, und in rasender Fahrt entführte er seinen Gefangenen, als ob ihm dessen gefährdetes Leben so wertvoll sei wie das eigene. Die Meute,
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