In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ist es wohl bereits zu spät!« rief Madame de Joyeuse.
Und sie berichtete von Cabassus’ Degradation, vom anschließenden Tumult, von den Geständnissen des Gefolterten und von dem Überfall, dem meine Gefährten und ich nur knapp entkommen waren.
»Und wo sind unsere drei Schüler?« erkundigte sich Monsieur de Joyeuse, sehr ergrimmt, daß hinter seinem Rücken Aufruhr inszeniert worden war.
»Im Hause hier sind sie. Zwei bei unserem Haushofmeister. Und Monsieur de Siorac in meinen Gemächern.«
»Ich wette, er ist von den dreien nicht der unglücklichste«,sagte der Vicomte lächelnd. »Aber ich bin’s zufrieden, daß Euer kleiner Vetter Euch die Einsamkeit ertragen hilft, die meine Amtspflichten Euch allzuoft auferlegen.«
»Ja, Monsieur, für eine noch junge Frau, die sich noch Reste ihrer Schönheit bewahrt hat, fühle ich mich recht oft vernachlässigt.«
»Es ist leider wahr, Madame«, sagte der Vicomte und machte eine Verbeugung, »daß ich Eurer bewundernswerten Schönheit nicht all die Ehren erweise, die ich ihr schulde, da ich im Dienste des Königs in alle Sprengel der Provinz reiten muß.«
»Wo nichtsdestoweniger, wie ich befriedigt vernehme, ländliche Schönheiten Euch erquicken.«
»Madame«, sprach der Vicomte, sich abermals verbeugend, »ich bin entzückt, daß Ihr so nachsichtig seid mit einem Soldaten, der hin und wieder – Ihr versteht mich – einen Kanten Brot ißt hinter einer Böschung. Doch mein Herz gehört ganz allein Euch. Befehlt. Und ich werde gehorchen.«
»Monsieur, im Languedoc kann Euch nur der König befehlen.«
»Wenn Ihr doch recht hättet, Madame«, seufzte der Vicomte. »Doch meine Autorität in dieser Provinz ist in ihrem Wesen konfus‹, wie Michel de Montaigne es nennt, ich verfüge über zu wenig Truppen, als daß ich nach rechts wie nach links etwas ausrichten könnte; auch wirke ich lieber durch Überzeugung denn durch Befehl. Die Montpellieraner aber sind gar rebellisch und störrisch! Wißt Ihr, wie der König von Frankreich sie nennt? ›Meine kleinen Könige von Montpellier!‹ Doch befehlt, und ich werde gehorchen.«
»Mein Herr Gemahl, es gilt, unsere drei Schüler vor dem Gericht und vor der Ermordung zu bewahren.«
»Ersteres ist wohl leichter möglich, denn unsere Frömmler sind unerbittliche Leute. Doch gleich morgen will ich all meine Kräfte daransetzen, das verspreche ich Euch.«
»Monsieur, dafür danke ich Euch lauteren Herzens. Und laßt mich bitte Eure unermeßliche Güte mit einem Geschenk lohnen. Das vergoldete Silbergeschirr aus dem Besitz meines Vaters sei Euch ab heute unwiderruflich zu eigen.«
»Madame, zu edel! Das ist einfach zuviel!« Der Vicomte sprang auf wie ein junger Mann und küßte seiner Frau die Hand. »Ich habe mein eigenes Silber in Gebrauch, das reicht,denn ich bin jeglichem Pomp abhold. (Als Madame de Joyeuse mir dies erzählte, konnte sie sich des Lachens nicht enthalten.) Indes dürft Ihr gleichwohl, Madame, mit Geschenken aus Eures Vaters Besitz freigebig verfahren. Ihr seid reich, ich bin es nicht. Und wenn Ihr bei dieser Gelegenheit meine Schatulle auffüllen wolltet, wäre ich Euch sehr verbunden.«
»Und werdet Ihr sie auffüllen, Madame?« fragte ich staunend, als sie mir noch am selben Abend diesen Bericht gab.
»Bis oben hin – obwohl sie keinen Boden hat.«
»Aber Madame, sofern ich recht verstanden habe, befürchtet Monsieur de Joyeuse vor allem eine Erhebung der Reformierten, die so stark sind in unseren Provinzen. Ist es da nicht im Sinne seiner Politik, daß er die wildgewordenen Frömmler hindert, drei hugenottische Schüler ins Verderben zu stürzen, weil sonst die Unseren aus Rache einen nicht mehr zu meisternden Aufruhr anstiften könnten? Und wenn dies ohnehin seine Politik ist, warum ihn dafür eigens noch bezahlen?«
Hier lachte Madame de Joyeuse aus vollem Hals.
»Mein kleiner Vetter, Eure Überlegungen sind richtig. Gleichwohl habe ich für mein Teil sehr klug gehandelt, und mit ein bißchen Nachdenken werdet Ihr von selbst drauf kommen warum.«
Was sich am folgenden Tag im Gericht zwischen den Richtern und dem Generalleutnant des Languedoc abspielte, hinterbrachten mir zwei Berichte. Der eine stammte von Madame de Joyeuse und war die Version ihres Mannes, der andere von Fogacer, welcher ihn von seinem Freund hatte. Dieser zweite Bericht scheint mir der Wirklichkeit näher zu sein, hatte Monsieur de Joyeuse doch wohl einigen Grund, vor seinem generösen Weib die Schwierigkeiten
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