In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Niederschriften zu sichten, und war viel aufmerksamer bei der Sache, als ich es in Anbetracht der nahen Entscheidung vermutet hätte.
Schlag elf Uhr erschienen – mit allem Gepränge, das sie bei ihren Zeremonien entfalteten – gut fünfzig papistische Priester in einem gleißenden Prozessionszug aus Bischofsmänteln und Kaseln, als hielten sie zu feierlicher Messe Einzug in Notre-Dame-des-Tables. Der Großvikar, die Domherren als auch der Pfarrer von Saint-Denis, dessen Pfarrei Cabassus angehörte, nahmen Platz auf dem Podest, und das Fußvolk der kleinen Abbés, Diakone, Unterdiakone und Meßgehilfen blieb unten auf dem Pflaster stehen, in der vordersten Reihe, noch vor Cossolat und seiner Garde, zum Zeichen daß der Klerus von höherem Range war als die Weltlichkeit.
Monseigneur, der Bischof, kam mit einer mit vier Pferden bespannten offenen Karosse, die Mitra auf dem Haupt und den Stab in der Hand, mit viel Beifall bedacht vom dummen Volk, das sich wie zu einer Schaustellung drängte. Der leidend wirkendeBischof erstieg majestätisch gemessen das Podest, geschützt vor der Sonne durch einen purpurfarbenen Baldachin, den vier niedere Geistliche trugen.
Es klopfte an meine Tür: Fogacer bat, von meinem Fenster aus, das ihm bessere Sicht gewährte als seines, die Degradation mitverfolgen zu dürfen.
»Ha, da ist dieser bedauernswerte Cabassus«, sagte Fogacer. »Er war unklug genug, die Irrungen der Menschen aus der Welt schaffen zu wollen.«
»Wo ist er?«
»Dort, ganz links, flankiert von zwei dicken Domherren.«
Ich hatte Cabassus nicht gleich erkannt, denn er war nicht zu unterscheiden von den Domherren: man hatte ihn gewaschen, rasiert und in die seinem geistlichen Rang entsprechenden priesterlichen Gewänder gekleidet, er trug eine goldbestickte Kasel aus Seide. Ich hatte ihn noch nie so sauber und so glanzvoll geschmückt gesehen, außerdem rollte er nicht mit den Augen. Er hielt den Blick gesenkt, schwätzte und gestikulierte nicht, sondern war ganz still und machte ein ernstes Gesicht.
»Fogacer, wird er durchhalten?« fragte ich aufgeregt.
»Aber ja, er will brennen und solcherweise kundtun, daß er nicht an die Existenz Gottes glaubt. Was sehr töricht ist von ihm, denn Nicht-glauben ist eben kein Glauben, sondern das Gegenteil, und bedarf keiner Märtyrer.«
Die Zeremonie hob an mit lateinischen Gesängen, die des Göttlichen Meisters Ruhm und Allgewalt priesen. Dann erhob sich der Bischof, bleich und gemartert, so schien es, von Magenbeschwerden und einem Feuer im Gedärm (er legte wiederholt die Hand auf den Bauch). Er sprach zum selben Thema eine recht kurze Homilie. Dann setzte er sich wieder, wandte sich an Cabassus und fragte ihn in väterlichem Ton, mit eher kummervoller denn gestrenger Miene:
»Fili, credisne in Deum?«
»Domine, non credo in Deum. Nego Deum esse«
, antwortete Cabassus mit leiser, aber fester, vernehmlicher Stimme.
»Nominas Deum. Ergo Deus est.«
»Deus verbum atque nomen est. In se nom est.«
1
Der Bischof stieß einen Seufzer aus, der mir nicht lediglich Schein und Zeremonie dünkte. Und wie ich später von Monsieur de Joyeuse erfuhr, hatte er, wie auch der Pfarrer von Saint-Denis, Cabassus tatsächlich für verrückt gehalten und wäre nicht gegen ihn vorgegangen, hätte es nicht den skandalösen Popanz und den Druck seitens des Provinzialgerichts gegeben.
»Fili, errare humanum est. Perseverare diabolicum
«
, fuhr Monseigneur fort.
»Diabolus non est
«
, sagte Cabusse. 1
Hierauf wandte sich der Bischof mit matter Stimme an einen großen Domherrn. Dieser erhob sich. Er hatte ein feistes karminfarbenes Gesicht von eher herrischer denn gottgefügiger Miene und eine laut tönende Stimme. Und so einfühlsam sich der Bischof bewiesen, so schroff und hart nun gebärdete sich dieser Domherr. Und wie unnütz sein Wettern auch sein mochte, nachdem Cabassus öffentlich ein Glaubensbekenntnis abgelegt, seine in Latein gehaltene Schmährede währte eine halbe Stunde, unterdessen der Bischof, die Hand auf dem Magen, leiblich sehr zu leiden schien und mehr noch in der Seele, denn er folgte sehr ungeduldig dieser Rede und setzte ihr dann mit wenigen leisen Worten ein Ende. Der Domherr, ob solchen Eingriffs ziemlich verstört – dieser Akt vor so großer Hörerschar war gewissermaßen sein Ruhmestag –, verkündete hierauf das Urteil des geistlichen Gerichts: die Degradation des Abbé Cabassus. Dann wandte er sich an den Bischof und fragte, ob er den Spruch billige.
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