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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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verwoben sich alle
Genüsse wie durch ein Wunder zu einem grandiosen Ganzen.
    Der Fischgang war kreiert!
    Schuberts Streichquartett in C-Dur, D 956
hatte wieder einmal gewirkt.
    Julius öffnete die Augen.
    Bachsaibling mit Waldpilzen und Spinatravioli.
    Erst jetzt bemerkte Julius, dass Herr Bimmel es sich auf seinem
Bauch bequem gemacht hatte und dort wie eine kleine Krabbe schlief. Eigentlich
musste Julius nun aufstehen, denn die Küche wartete, und schon für diesen
kreativen Ausflug hatte er eigentlich keine Zeit gehabt. Aber der schwarzweiße
Kater schlummerte so friedlich, dass Julius es nicht übers Herz brachte. Er
begann, den geübten Mäusejäger an den Ohrspitzen zu streicheln, so wie er es
gerne mochte. Schlaftrunken öffnete der Kater die Augen und drehte sich auf den
Rücken. Oder versuchte es zumindest. Denn so viel Platz war auf Julius’ Bauch
nun doch nicht, und Herr Bimmel rutschte ins weiche Daunenplumeau ab, in das er
nach kurzer Irritation den Kopf versenkte und weiterschlief. Auf leisen Sohlen
stahl sich Julius aus dem Zimmer. Nur schwerlich widerstand er der Versuchung,
das Bett zu machen und den Kater dadurch zu vertreiben. Vorsichtig lehnte er
die Tür an. In den nächsten Tagen würde er Zeit finden müssen, um mit Beethoven
übers Geflügel, mit Bach in Sachen Fleisch und Seite an Seite mit Rossini in
der Dessert-Frage zu fachsimpeln. Die Suppe würde er wie immer aus Kochbüchern
stibitzen müssen. Bisher hatte sich trotz intensiver Suche kein Komponist
gefunden, der dieser Aufgabe gewachsen war.
    An diesem Abend fand sich ein ebenso prominenter wie
schlecht gelaunter Gast im Restaurant ein. Wie immer auf Kosten des Hauses, saß
der Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz an einem
Tisch und tafelte mit seiner Frau. Franz-Xaver kam in die Küche, um seinem
Unmut Luft zu verschaffen.
    »Den Lackel hab ich ja gefressen! Der Herr is ganz was Besonderes!
Darum muss er auch net zahlen und kein Trinkgeld net geben. Des wär wirklich zu
viel verlangt! Der aufgeblasene Herr Geschäftsführer hat so was net nötig! Weil
er so fesch is!« Franz-Xaver fuhr mit einer Haute-Couture-Kritik fort: »Dunkler
Anzug, weißes Hemd, g’sprenkelte Krawatten. Ein wahrer Vorreiter der Laufstege!
Bravo! Bravissimo!«
    Julius blickte kurz in den Speiseraum, der zu seiner Freude bis auf
den letzten Platz gefüllt war und in dem eine heitere, gelassene Atmosphäre
herrschte. Bis auf eine kleine Hauptgeschäftsführer-Insel der Traurigkeit.
    »Hast du den Zimmermann gerade auflaufen lassen? Der sieht nicht
gerade fröhlich aus.«
    »Aber woher denn! Ich hab mit ausgesuchter Höflichkeit um ihn
herumscharwenzelt. Immerhin weiß ich, welchen Schaden der gnäd’ge Herr
anrichten kann, net wahr?«
    »Und warum sitzt er dann da wie ein Trauerkloß? Am Essen kann’s
doch –«
    Franz-Xaver unterbrach Julius’ Selbstzerfleischungsansatz sofort.
»Am Essen kann es unmöglich liegen! Du übertriffst dich zum wiederholten Male
selbst. Und bevor du fragst: An der werten Gattin liegt es auch net. In diesem
Fall weiß selbst ich einmal keine Antwort. Ich fürcht, meine guten Jahre sind
vorüber …«
    Melodramatisch griff er sich die bereitliegenden Dessertkarten und
rauschte ab. In Julius nagte die Neugier. An Siggis Tod konnte Zimmermanns
Gemütszustand auch nicht liegen. Dafür war er einfach zu kalt, eine
Hundeschnauze war dagegen eine Wärmflasche. Schlechte Laune zeigte Zimmermann
sonst nie in der Öffentlichkeit. Er ließ zwar gern den Hauptgeschäftsführer
raushängen, aber auf eine aalglatte, stets ein Lächeln tragende Art und Weise.
Seinen Missmut ließ er, so war zu hören, lieber hinter verschlossenen Türen an
den Untergebenen aus. Wenn Julius heute schon nicht das Geheimnis um Siggis
Maischebottich-Tod lüften konnte, so vielleicht wenigstens dieses kleine
Mysterium. Zumindest ein Erfolgserlebnis musste ihm doch heute vergönnt sein.
    Er baute sich vor dem Tisch des Hauptgeschäftsführers und dessen
Gattin auf.
    »Inge, schön, dich mal wieder bei uns begrüßen zu dürfen. Du bist
wie immer ein Fest für die Augen!«
    Handkuss. Alte Schule. Zimmermanns Frau saß regelrecht
eingeschüchtert auf ihrem Platz und blickte nach kurzem Lächeln wieder auf ihr
fast leeres Weinglas.
    »Hans-Jürgen, es ist mir stets ein Vergnügen!«
    »Gerne.«
    Kurz angebunden. Sonst fiel die Begrüßung deutlich herzlicher und
wortreicher aus. Aber noch etwas störte Julius am Tisch. Dann sah er es: Die
Kerzenhalter standen nicht

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