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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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Karriere war schnell und steil gewesen,
viele bekannte Köpfe trieben still und leise die Ahr hinunter, nachdem sie ihm
begegnet waren. Im mit 31 Grad Celsius
wohlig warmen Außenbecken der Bad Neuenahrer Thermen lag das Machtzentrum des
Ahrtals nun, als könne es kein Wässerchen trüben. Julius legte neben dem
Landrat an, die Arme seitlich ausgestreckt, um sich am gewölbten Rand des
Beckens festzuhalten. Neben ihm öffneten sich die Augen der Birne. Sie waren
überrascht.
    »Dich hab ich hier ja schon lange nicht mehr gesehen. Wird dir gut
tun, mal wieder zu plantschen!«
    Julius legte sein Kinn auf die Brust, um dann mit wohltönendem
Bariton vorzutragen: »Kühlrauschend unterm hellen / Tiefblauen Himmelsdom /
Treibt seine klaren Wellen / Der ew’gen Jugend Strom.«
    »Der gute Eichendorff! So einen Vorfahr kann man wenigstens
zitieren!«
    »Und in der Schule vortragen! Das war mehr ein Fluch, kann ich dir
sagen.«
    »In der Schule musste jeder leiden – selbst zukünftige
Landräte!« Bäcker schnaufte vergnügt.
    »Gottfried, wo ich dich gerade schon mal neben mir treiben habe. Ich
hätte da ein Anliegen.«
    »Dafür bin ich da. Jeder meiner Wähler findet bei mir ein offenes
Ohr.«
    Julius verschwieg, dass er nicht zu diesem erlauchten Kreis gehörte.
Da er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, blickte er kurzzeitig in die
andere Richtung, wo zwei schwere Lastkähne ihre Runden zogen.
    »Ich würde sehr gerne in die oberen Zehntausend des Tals eingeführt
werden, deswegen wende ich mich hiermit vertrauensvoll an deren Häuptling.«
    »Hört, hört! Schmier mir nur weiter Honig um den nicht vorhandenen
Bart! Gefällt!«
    »Ich möchte in die Weinbruderschaft eintreten und wollte dich
fragen, ob du deine Verbindungen spielen lassen könntest?«
    Ein dicker, nasser Arm kam durch die Dunstschwaden und legte sich um
Julius’ Schulter. »Das wurde auch Zeit! Und da der Ordensmeister neben dir
sitzt: Sieh die Sache als erledigt an!«
    »Dank dir. Ich hab mich auch schon etwas über euch Brüder
informiert …«
    »Julius, ich wollte noch mal in den Whirlpool. Wenn’s dir nichts
ausmacht?«
    Das war natürlich keine Frage, die Widerspruch zuließ, und so fand
sich Julius alsbald im 37 Grad Celsius
heißen Blubberwasser wieder. Schnell tauchten dicke Schweißperlen im Gesicht
des Landrats auf. Julius nahm einen weiteren Anlauf.
    »Wo war ich …? Ja, ich hab mich über euch informiert.«
    »Immer gut, so was.«
    »Ich hab mir euren Aushang am Viaduktpfeiler im Adenbachtal mal
durchgelesen. Das hat mir gefallen.«
    Eine von Bäckers Augenbrauen kroch wie eine faule Raupe die Stirn
empor. »Wann warst du da?«
    »Vor ein paar Tagen.«
    Nun kroch die Raupe tiefer ins Gesicht hinein und nahm ihr
Brüderchen gleich mit. Sorgenfalten waren ihre Spur.
    »Das darf man alles nicht so ernst nehmen, Julius. Ein klein wenig
Theater muss halt sein.«
    »Ich find das prima! Da standen Sachen drauf, die mussten mal gesagt
werden. Nur die Geschichte mit Siggi, die habe ich nicht verstanden. Was hat
sich der Gute denn geleistet?«
    »De mortuis nil nisi bene, mein Lieber!«
    »So wild wird es schon nicht sein.«
    »Der Siggi hat nicht immer nach den Regeln gespielt. Das muss
reichen. Hat so getan, als wären wir hier in Amerika. Sind wir aber nicht. Und
wollen wir auch nicht sein.«
    Für Bäcker schien das Thema beendet. Für Julius nicht. Er hatte sich
nicht frühmorgens ins Blubberwasser begeben, um Andeutungen zu erhalten. Er
hatte nicht sorgfältig darüber nachgedacht, wie er sich am sinnvollsten dem
Thema Weinbruderschaft näherte, um dann keinen Schritt weiterzukommen. Julius
beschloss, Bäcker zu ködern. An die Angelspitze hängte er einen fetten Bissen.
    »Weißt du, dass jemand ›Verräter‹ auf eins von Siggis Fässern
geschrieben hat?«
    »Sag bloß!«
    Bäckers Gesicht verriet nichts. Er blickte ganz beiläufig geradeaus,
die zerplatzenden Blasen beobachtend.
    »Und zufällig genau in derselben Schrift wie auf eurem Plakat!«
    Der Koloss von Rech richtete sich auf, seinen Wanst wie einen
Rammbock Julius entgegenhaltend. Mit den vereinzelten Härchen und der
ungleichmäßigen Form wirkte er wie die dickste Kartoffel, die der dümmste
vorstellbare Bauer ernten konnte. Julius ertappte sich dabei, wie er darüber
nachdachte, was man außer einem großen Eimer Schmalz wohl daraus herstellen
könnte.
    »Mein lieber Julius, was willst du damit
sagen?«
    »Nun setz dich mal wieder! Gar nix will ich sagen, fiel

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