In Vino Veritas
den Flaschen gar nicht auffiel.
Das zierliche Gerät aus Rohren, Schläuchen und Zylindern sah vollkommen harmlos
aus.
»Darf ich dir vorstellen: die erste Umkehrosmoseanlage der Ahr.«
Doch dies war nicht nur eine einfache Anlage. Dies war eine
Revolution. Eine Bombe, die nur darauf wartete, in der deutschen Weinszene zu
explodieren.
V
»Karlskopf in Ahrtaler Quellwasser«
Wie die Verheißung selbst lagen sie vor ihm. Julius ließ
den Blick über die Zutaten schweifen, als handele es sich um hochkarätige
Diamanten, die er zu einer einzigartigen Brosche zusammenführen würde. Die
beiden Hasenrücken mit ihrem verlockenden Rot, das beste, das zarteste Fleisch
des flinken Hopplers, Seit an Seit in der Mitte der Arbeitsplatte. Dazu all das
frische Gemüse: 750 Gramm
Knollensellerie, 300 Gramm saftig-säuerliche
Äpfel, 500 Gramm Rote Bete, 100
Gramm Karotten, 300 Gramm Zwiebeln und 100 Gramm Schalotten. Beethoven hatte zudem auf 75 Gramm Staudensellerie bestanden – da war
die »Pastorale« ganz deutlich gewesen. An den Seiten standen Salz- und
Pfeffermühle aus Acryl, auf einem kleinen Tellerchen lagen Knoblauch,
Petersilie, Thymian und Lorbeerblätter. 100 Milliliter Olivenöl
von Dauro, 250 Gramm Salzbutter und
100 Milliliter Crème fraîche waren in der
»Fettecke« oben rechts. Julius blickte mit Vorfreude auf die Flasche »Don Juan«
der Pikbergs, deren Inhalt er gekonnt einflechten würde, um den »Hasenrücken
mit Ahr-Rotwein-Jus« perfekt zu machen. Zuerst galt es, das Fleisch zu
verwandeln, die Aromen alchemistisch auf eine höhere, güldenere Ebene zu
bringen. Julius rieb sich die Hände, damit sie warm waren, bevor er den Hasen
marinierte. Und zwar mit den bereits klein geschnittenen Karotten, dem
Staudensellerie, der Petersilie, den Schalotten und einem Drittel der Zwiebeln,
verbunden mit dem mallorquinischen Olivenöl.
Die Finger tanzten über die Hasenrücken.
Es duftete herrlich.
Zwei Stunden hatten die Ingredienzen nun Zeit, sich zu vermählen.
Jetzt hieß es für Julius warten, bevor er das Fleisch herausnehmen und mit
Butter kurz von beiden Seiten anbraten konnte. Er dachte freudig daran, wie er
die Filets von den Knochen lösen würde. Hoffentlich hatte er für das
Probekochen alle Zutaten richtig berechnet. Julius hasste es, überschüssige
Lebensmittel wegwerfen zu müssen. Die Grammangaben mussten haargenau stimmen für
spätere Bestellungen bei den Zulieferern.
Auf diesen Hauptgang legte er all seine Hoffnung. Dieses Rezept
musste den Stern an die Eingangstür bringen!
Gezeter aus dem Restaurant riss ihn aus den Gedanken. Julius wusste
sofort, was los war: Zwei Dickköpfe prallten wie brünftige Widder aufeinander.
Als er die Tür zum großen, bereits eingedeckten Raum öffnete, sah er die
Kontrahenten. In der rechten Ecke mit der schwarzen Hose aus Südafrika:
François van-de-Mer-we. In der linken Ecke, zurzeit leger in blauer Jeans, aus
Österreich: Franz-Xaver Pich-ler. Der Kampf war in vollem Gange.
»Warum willst du das denn wissen?«, setzte
der Südafrikaner einen seiner berüchtigten, arroganten Kinnschläge.
»Ja, Kreuzdonnerwetter, ich will’s halt wissen!«
»Das verstehst du eh nicht!«
»Jetzt komm mir bittschön net so, du Weinmamsel!«
Der nächste Schlag konnte verheerend werden, deswegen griff Julius
in seiner Funktion als Ringrichter schlichtend ein.
»Friede, ihr zwei! Worum geht’s?«
»Der Österreicher will was über Umkehrosmose erfahren!«
Nun war es an Julius auszuteilen. Von der Apparatur hatte er
Franz-Xaver unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit erzählt.
»Kannst du nicht einmal deine Wiener Gosch’n halten? Ist es denn zu
fassen?!«
Franz-Xaver parierte geschickt. »Er weiß doch gar net, worum es
geht.«
Leider hatte er in diesem Augenblick die Deckung sträflich
vernachlässigt.
»Worum geht es denn?«, fragte François fordernd.
»Glückwunsch, Herr Pichler! Grandios!«
Franz-Xaver zog ein beleidigtes Gesicht. Was ihm als Wiener nicht
schwer fiel. »Na und, was is schon dabei?«
»Klärt mich jetzt vielleicht mal jemand auf?«
Also wurde François im zarten Alter von achtundzwanzig Jahren
aufgeklärt.
»Hab ich mir schon gedacht! Schultze-Nögels Weine im letzten Jahr
waren einfach zu gut …«
Jetzt, wo die Katze aus dem Sack war, konnte Julius auch die Chance
beim Schopfe packen und sich die Umkehrosmose vom Fachmann erklären lassen. Er
hatte sich nicht getraut, Gisela zu fragen. Es war ihm einfach zu peinlich
gewesen
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