In Vino Veritas
überzeugend. Das
müssen wir alles noch mal überprüfen. Als Markus Brück ermordet wurde, war er
allerdings im Weinberg, und nicht allein.«
Die anderen Verdächtigen musste Julius erst benennen können, ehe er
nach Alibis fragen konnte. Es war an der Zeit, von Reuschenberg ein wenig an seinen
Gedanken teilhaben zu lassen.
»Haben Sie schon bedacht, dass Markus Brück ein echtes Muskelpaket
war? Ich kenne niemanden, der ihn hätte in die Presse bugsieren können.«
»Und wenn der Niemand eine Schusswaffe hatte?«
»Das würde den Täterkreis sehr einengen. Außer den Jägern dürfte im
Tal – zumindest legal – kaum einer eine haben.«
»Ich werde mir eine Liste von denen machen lassen. Einen Kampf hat
es zwischen Brück und seinem Mörder nicht gegeben. Am Leichnam haben sich keine
dahin gehenden Verletzungen gefunden. Fragen Sie mich nicht, wie die Kollegen
das beim Zustand der Leiche noch feststellen konnten. Sie konnten es.«
Julius nickte und sortierte die Information in das Gemüsepotpourri
seiner Gedanken. Dann blickte er auf die Uhr. Die Küche rief. Und länger wollte
er die Geduld der Kripo-Beamtin auch nicht strapazieren.
»Ich muss wieder weg. Ich bin übrigens froh, dass Sie nicht länger
glauben, Gisela wär’s gewesen.«
Von Reuschenberg schmunzelte und holte wortlos eine Audiokassette
aus der obersten Schublade des Schreibtischs. Erst jetzt fiel Julius der
Ghettoblaster in der Zimmerecke auf, in dem die Kassette nun verschwand. Eine
mechanische Stimme sagte Datum und Uhrzeit. Dann folgte ein Gespräch.
»Polizeidienststelle Bad Neuenahr, Obermeister Krieschel, wie kann
ich Ihnen helfen?«
»Ich … ich möchte Ihnen einen Hinweis in der Mordsache
Siegfried Schultze-Nögel geben …«
Es war eine Frauenstimme, aber sie klang unnatürlich, gedämpft, als
käme sie aus einem Kleiderschrank, als wäre etwas zwischen Mund und Hörmuschel.
Als versuche jemand, sie zu verstellen. Außerdem sprach die Anruferin
unnatürlich hoch.
»Wie ist denn Ihr Name?«
»Ich weiß, dass es die Gisela war. Die war eifersüchtig, weil Siggi
sich von ihr trennen wollte. Das hat sie nicht verkraftet. Sie dürfen sie nicht
gehen lassen! Die gehört hinter Gitter, für immer!«
»Haben Sie für Ihre Vorwürfe Beweise, Frau …?«
»Die Lebensversicherung ist auf sie abgeschlossen, und der Siggi
wollte das ändern, hatte auch schon einen Termin gemacht. Das hat die Gisela
nicht akzeptieren wollen! Ich … ich …«
Klicken. Besetztzeichen.
Von Reuschenberg spulte die Kassette zurück und hielt sie Julius
triumphierend vor die Nase.
»Siegfried Schultze-Nögel hatte einen
Anwaltstermin. Hat sich mal wieder gelohnt, dass alle einkommenden Anrufe
aufgezeichnet werden. Erkennen Sie die Stimme vielleicht? Auch wenn sich die
Anruferin alle Mühe gegeben hat, dass das unmöglich ist?«
»Kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Können
Sie es noch mal vorspielen?«
Auch beim zweiten Mal lichtete sich der Nebel über Julius’
Erinnerung nicht. Der Tonfall erinnerte ihn an jemanden. Vielleicht nur eine
Filmschauspielerin. Julius wusste nicht, warum, aber er musste an den »Namen
der Rose« denken.
Er verabschiedete sich schnell und fuhr zurück Richtung Heppingen.
Heute würde er keine Zeit mehr für weitere Ermittlungen haben, denn das
Restaurant wartete und würde ihn auf andere Gedanken bringen. Das
Spaghettiknäuel in seinem Kopf war weiter angewachsen, und bedrohlich rollte es
auf seine Großkusine zu. Er durfte nichts unversucht lassen. Julius wusste
schon, wohin er sich am nächsten Morgen auf den Weg machen würde. Die Sache
wurde langsam heiß.
Der warme Dampf wogte verheißungsvoll über den Wassern,
und Julius hatte keine Mühe, den dicken Fisch auszumachen, dem er auf die
Schuppen rücken wollte. Das birnenförmige Exemplar ruhte sich an einer der
Einbuchtungen aus, mit Blick auf das Zirkusdach der Ahrthermen. Die Augen
geschlossen, den Mund weit offen, wie ein Hering blau auf festlichem
Silbertablett. Es war morgens Viertel nach neun, und der berühmte erste Gast
der Thermen war wie stets anzutreffen. Landrat Bäcker ließ sich diese
Annehmlichkeit seines kleinen Reiches an kaum einem Morgen entgehen.
Julius wurde immer nervöser, während er langsam und bedächtig, wie
ein schläfriges Walross, auf Bäcker zuschwamm. Aus diesem aalglatten Politiker
etwas Brauchbares herauszubekommen, würde schwerer sein, als einen Fugu zu
tranchieren. Und gefährlicher. Bäckers
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