Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
Vom Netzwerk:
glaub ich aber nicht. Daran würde ich
mich erinnern.«
    Julius nickte stumm und stocherte lustlos in seinem Essen.
    »Lass doch den Kopf nicht hängen, Julius! Die Polizei wird den
Mörder schon fassen. Das ist doch bestimmt ein entlaufener Irrer. Wer steckt
schon Menschen in Maischebottiche und Pressen? Lass die Sorgen mal hinter dir
und trink mit deiner neuen Verwandtschaft! Wie fühlst du dich eigentlich als
Weinbruder?«
    Julius fiel ein Eichendorff-Vers ein, der ihm zu passen schien. »Wie
so leichte lässt sich’s leben! / Blond und rot und etwas feist / Tue wie die
andern eben / Dass dich jeder Bruder heißt / Speise, was die Zeiten geben / Bis
die Zeit auch dich verspeist!«
    »Darauf trink ich einen!« Mit einem Zwinkern setzte Herold hinzu: » Bruder !«
    Der folgende Tag war mit Arbeit in der Küche gefüllt. Erst
am späten Nachmittag hatte Julius ein paar Minuten für sich. Er ging in den
Garten des Restaurants, um sich zu sammeln, bevor die Türen geöffnet wurden. Es
galt über so viel nachzudenken. Der gestrige Abend, die gestrige Nacht, ließen
ihn nicht los. Mit wie vielen Brüdern hatte er gesprochen, auf wie viele Arten
hatte er sich an das Thema herangepirscht, wie oft war er gescheitert? Immer , musste sich Julius eingestehen, nichts hatte ihn
weitergebracht. Es war nicht genug Wein geflossen, um die Zungen zu lösen.
Dabei war viel geflossen. Ein trinkfester Kreis. Und ein prominent besetzter.
Vom DLG -prämierten Metzgermeister aus Rech
bis zum Bad Neuenahrer Industriellen waren sie alle dabei. Julius war das
Ausmaß der Vereinigung zuvor nicht klar gewesen. Wenn diese Männer sich einig
waren, dann konnte niemand sie aufhalten. Auch Julius nicht. Besonders Julius
nicht. Zwar war er nun einer der ihren, aber auch bei den Weinbrüdern gab es
Zirkel, in die man nur nach Jahren vordringen konnte. Der innerste Kreis, das
Ordenskapitel, bestand aus nur wenigen Männern um Bäcker. Julius wusste noch
nicht, wer und wie viele. Aber er wusste, dass es galt, in diese Runde
einzubrechen, dort die schwache Stelle zu finden, sie zu bearbeiten, weich zu
klopfen, bis das Wissen aus ihr heraustropfte wie aus einem undichten Fass.
    Doch dies würde Ewigkeiten dauern.
    Julius schlenderte weiter durch den Garten bis zur Beckenbauer-Bank,
die er vor Jahren bei Obi erstanden hatte und die nur noch von Spucke und guter
Hoffnung zusammengehalten wurde. Es knarrte, als er sich setzte.
    Mindestens so viel Kopfschmerzen wie die Weinbruderschaft bereitete
Julius, dass zwei seiner engsten Freunde nun zum Kreis der Verdächtigen
gehörten: Antoine Carême und Tommy Prieß. Was hatte es mit deren merkwürdigem
Verhalten auf sich, ohne die Gruppe in den »Milsteinhof« zu fahren und in einer
verschwiegenen Ecke über Siggi zu reden? Es war sicherlich keine private
Trauerfeier gewesen. Beide hatten nie einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen den
Rotweinmagier gemacht. Aber reichte das als Motiv für einen Mord? Nein, da
musste mehr sein. Julius wusste nicht, wie es um die finanzielle Lage der
beiden stand. Siggis Weigerung, ihnen Wein zu verkaufen, hatte sicherlich
negative Auswirkungen auf den Publikumszuspruch. Die Frage war, wie negativ?
Weitere Punkte machten die zwei verdächtig. Tommy Prieß war am Tag, als Siggi
ermordet wurde, bei diesem gewesen, um Wein zu holen. Er wollte also trotz
aller Abfuhren wieder einen Anlauf starten. Dazu musste er schon sehr verzweifelt
gewesen sein. Denn der Besitzer des »Himmel und Äd« war stolz. Zu stolz für
eine solche Aktion. Und wieder hatte er eine Abfuhr bekommen, verließ das Gut
nach Józefs Aussage ohne Wein. Antoine wiederum hatte kaum die Schonfrist
eingehalten, bevor er über August Herold versucht hatte, die begehrten Flaschen
zu bekommen. Auch ihm schien viel daran gelegen. Aber Mord? Und wie passte der
Franzose in dieses Bild? Markus Brück konnte ein unliebsamer Mitwisser gewesen
sein, aber Bernard Noblet? Zu viele Fragen, dachte Julius, zu wenig Zeit, sie
zu lösen. Zumindest heute.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Julius konnte den Duft
der Blautanne riechen, die hinter der Holzbank stand. Das war beruhigend. Und
das brauchte er. Denn heute Abend war er da.
    Eine Reservierung für eine Person. Ein Allerweltsname. In diesem
Fall Schneider. Zu einer frühen Stunde. Wie jedes Mal. Am gestrigen Abend war
er bei Antoine gewesen. Der Besitzer des »Frais Löhndorf« hatte am Morgen bei
Julius angerufen. Unsicher. Ängstlich. Der Mann wäre ganz freundlich

Weitere Kostenlose Bücher