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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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dauert länger als eine Testamentseröffnung. Papa Staat wird sich gedulden müssen. Und Sie sind bei mir am Falschen. Ich war es natürlich nicht.«
    »Gut.«
    Verblüffung zeichnete sich auf Bertrams Gesicht ab.
    »Polizisten sind Jäger und Sammler. Im Moment sammle ich. Ich hätte gerne Ihren Schlüssel zum Wochenendhaus und dann Ihr Alibi.«
    »Also, das war ein Spaß. Ich hab doch meinen Vater nicht umgebracht. Ich denke, es war ein Raubmord. Das hat jedenfalls Caroline gesagt.« Bertram griff in die Hosentasche, zog die Schlüssel hervor, löste einen vom Bund und reichte ihn Dühnfort.
    »Wir gehen allen Möglichkeiten nach. Deshalb wüssteich gerne, wo Sie am vergangenen Montag zwischen acht und halb zehn abends waren.
    »Da muss ich nachsehen.« Sie kehrten ins Atelier zurück. Bertram blätterte in seinem Timer. »Montagabend war ich bei meiner Exfrau. Sie heißt Katja Rist und hat eine Galerie am Wiener Platz. Es war sicher schon nach neun Uhr, als ich gegangen bin.« Er legte den Timer beiseite.
    »Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen?«
    Bertram steckte die Hände in die Hosentaschen. »Am Sonntag vor einer Woche. Ich bin zu ihm an den See geradelt. Das Wetter war schön, ein herrlicher Spätsommertag. Vater hatte die Idee, dass wir grillen könnten. Das haben wir dann gemacht.«
    »Sie haben sich mit Ihrem Vater gut verstanden?«
    »Es hätte besser sein können«, erwiderte Bertram. »Er hat weder meinen Lebensstil noch meine Berufswahl akzeptiert. Das Einzige, was ich in seinen Augen richtig gemacht habe, war die Wahl meiner Frau. Aber inzwischen sind wir geschieden. Das hat ihm natürlich nicht gepasst.«
    »Warum haben Sie ihn am See besucht? Das ist eine ziemliche Strecke.«
    »Ich radle, wann immer es geht. An dem Tag war es schön, eine Tour also naheliegend. Und warum nicht zum See?«
    »Sie stecken in Schwierigkeiten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann betreibt das Finanzamt bereits die Zwangsversteigerung des Hauses …«
    »Da haben Sie mich falsch verstanden. Die Herren Beamten werden sich bis nach der Testamentseröffnung gedulden müssen.«
    »Das konnten Sie aber an diesem Tag noch nicht wissen. Haben Sie Ihren Vater vorletzten Sonntag um Geld gebeten?«
    »Das tut hier nichts zur Sache.« Bertram zog die Hände aus den Hosentaschen und stützte sich auf einen Stuhl. »Ich habe mir jetzt von Ihnen eine Menge angehört. Vernehmen Sie mich eigentlich als Beschuldigten? Dann belehren Sie mich bitte erst einmal über meine Rechte.«
    »Wie gesagt, ich sammle.« Dühnfort griff nach dem Album. »Kennen Sie diese Frauen?« Er schob es über den Tisch.
    »Einige. Aber das Album kannte ich nicht, und ich hatte auch keine Ahnung, welche Spielchen mein Vater mit seinen Weibern getrieben hat. Auf jeden Fall passt es zu ihm. Er war ein Machtmensch.«
    »Können Sie sich vorstellen, dass diese Frauen nicht aus freien Stücken …«
    Heckeroth lachte. »Sie kannten meinen Vater nicht. Der hätte jedem Vegetarier eine Schweinshaxe verkauft und jeder Nonne einen Dildo. Sicher hat er seine Gespielinnen überzeugt, dass es absolut geil ist, sich so demütigen zu lassen. Eins sollten Sie wissen: Mein Vater war ein großer Manipulator.«
    * * *
    Das Handy begann zu fiepen, als Dühnfort ins Auto stieg. Im Display erkannte er Agnes’ Nummer. Er nahm das Gespräch nicht an. Das Wort
Lust
lag ihm noch immer im Magen, wie Übelkeit nach einer durchfeierten Nacht.
    Zu Beginn ihrer Liaison vor vier Monaten hatte sie ihm offen gesagt, was er ohnehin wusste: Es war die falsche Zeit für eine Beziehung. Ihr Mann und ihre Tochterwaren bei einem Wohnungsbrand gestorben. Erst ein Jahr nach dem Schicksalsschlag war sie in der Lage gewesen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Und dann hatte ein Brief ihres Mannes dieses mühsam errichtete Fundament innerhalb von Minuten eingerissen. Er hatte ihn vor dem Unglück geschrieben und dafür gesorgt, dass sie ihn erst bekam, als die schlimmste Trauer überstanden war, als sie gerade wieder ins Leben zurückfand. In diesem Brief gestand er den Mord an seiner Tochter und seinen Selbstmord. Die Schuld daran gab er Agnes, die sich von ihm getrennt und damit die Katastrophe ausgelöst hatte. Natürlich hatte sie sich diesen Schuh angezogen und kämpfte seither mit Schuldgefühlen. Natürlich war es die falsche Zeit für eine neue Liebe.
    Das Handy verstummte. Dühnfort schob es zurück in die Brusttasche, legte das Album auf den Beifahrersitz

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