In weißer Stille
nicht bieten lassen. Sie hätte die Konsequenzen gezogen und sich scheiden lassen. Aber Mutter hatte aus einem merkwürdigen Konglomerat von Ehrpusseligkeit, Verantwortung und Abhängigkeit diesen Schritt niemals ernsthaft in Betracht gezogen.
Bis dass der Tod euch scheidet.
Sie hatte sich daran gehalten. »Weshalb interessieren Sie sich für die Freundinnen meines Vaters?«
Gina Angelucci verzog den Mund. »Sie kennen das Album nicht? Sie werden es verstehen, wenn Sie die Bilder sehen.«
Die Art, wie Gina Angelucci das sagte, weckte in Caroline ein vages Gefühl der Unruhe.
»Das sind nicht einfach Porträtaufnahmen. Ihr Vater hatte gewisse Vorlieben sexueller Art.«
Was wollte diese Polizistin ihr eigentlich sagen? Latex und Leder, Peitschen, Ketten und Stachelhalsbänder wirbelten durch Carolines Vorstellung und mittendrin ihr Vater. Sie stöhnte und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Das konnte nicht wahr sein. Überrascht betrachtete sie das dicke Kuvert, das Gina Angelucci aus ihrer Umhängetasche holte. So viele? Caroline atmete durch. Sie würde sich einfach weigern, diese Bilder anzusehen. Niemand konnte sie dazu zwingen. Aber was würde diese Polizistin dann tun? Sie würde die Aufnahmen den Mietern zeigen und den Verwandten, vielleicht sogar in den Geschäften am Kurfürstenplatz rumfragen. Beim Bäcker, bei der Reinigung, beim Gemüsehändler und so weiter. O Gott! Caroline griff zum Telefon. »In der nächsten halben Stunde möchte ich nicht gestört werden. Von niemandem.«
* * *
Dühnfort suchte Albert gegen Mittag auf. Seine Frau ließ ihn ein. »Mein Mann hat gerade Besuch von einem Mitarbeiter des Bestattungsinstituts. Das kann nicht mehr lange dauern. Soll ich trotzdem …« Sie deutete auf das Wohnzimmer, aus dem gedämpft Stimmen klangen.
»So eilig ist es nicht.« Er folgte ihr in die Küche, nahm Platz und legte das Kuvert mit den Kopien auf den Tisch. Das Telefon im Flur begann zu läuten.
Barbara entschuldigte sich und ging in die Diele. Aus dem Gespräch schloss Dühnfort, dass ihre Schwägerin Caroline am anderen Ende war. Zunächst ging es umeinen Job, den sie vermittelt hatte. Doch dann wechselte das Thema. »Nein. Das ist doch Unsinn.« Alberts Frau senkte die Stimme. »Sicher kommt ihm die Erbschaft gelegen. Aber wenn er bei Katja war …« Barbara Heckeroth stand mit dem Rücken zur Küche und fasste mit der Rechten ihre schulterlangen Haare zusammen. »Das hast du schließlich gerade selbst gesagt … Entschuldige, Caro, aber in meiner Küche sitzt … Ja, genau.« Sie drehte sich um und sah zu Dühnfort. »Welche Bilder?« Ihr Blick wanderte über den Küchentisch und blieb an dem Kuvert hängen. Sie beendete das Gespräch und kehrte in die Küche zurück. »Caro sagt, Sie hätten bei Wolfram Fotos übelster Art gefunden.«
Dühnfort interessierte im Moment etwas anderes. »Ihre Schwägerin verdächtigt Bertram? Wieso?«
Barbara strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und setzte sich. »Bertram ist das schwarze Schaf in der Familie. Das haben Sie sicher schon mitbekommen. Vermutlich hat er den größten Teil seines Lebens damit zugebracht, herauszufinden, was Wolfram missfallen würde, um genau das dann zu tun.«
»Väter heißen nicht immer gut, was ihre Kinder machen.«
»Schon. Aber bei Bertram habe ich das Gefühl, dass es ihm hauptsächlich darum ging, seinen Vater auf die Palme zu bringen. Jedenfalls hat er ihn um Geld gebeten, und da Wolfram ihm nicht geholfen hat, denkt Caro wohl … Aber es passt einfach nicht zu ihm.« Sie musterte Dühnfort. »Ganz ehrlich: Wenn mein Schwiegervater erschlagen worden wäre und Bertram kein Alibi hätte, dann würde ich vielleicht glauben, dass er es war. Er ist aggressiv und jähzornig. Aber vier Tage … das hält doch niemand durch. Selbst wenn Bertram aus lauter WutWolfram an die Heizung gefesselt hätte, dann hätte er ihn befreit, sobald sein Ärger verraucht war.«
Dühnfort fand diese Betrachtungsweise interessant. Sie deckte sich mit seinen Überlegungen. Es war allerdings ein Aspekt aufgeblitzt, den er bisher außer Acht gelassen hatte. »Vielleicht auch nicht. Hatte Bertram Angst vor seinem Vater?«
Barbaras Augen weiteten sich. »Angst?«
»Was hätte Ihr Schwiegervater denn getan, wenn Bertram ihn – sagen wir über Nacht – im Bad eingesperrt und am nächsten Tag befreit hätte?«
Barbara Heckeroths Stirn, die gerade noch in angespannten Falten gelegen hatte, glättete sich. »Ich weiß
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