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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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dass er es war.«
    Caroline konnte es nicht fassen. »Warum nimmst du ihn in Schutz? Er hat auf deine Kosten gelebt, und anstatt dir dafür dankbar zu sein, hat er dich verprügelt.«
    »Wie kommst du dazu ….«
    »Die Wahrheit auszusprechen? Denkst du, ich hätte das nie bemerkt?«
    Katja wirkte plötzlich noch kleiner. »Das kannst du nicht verstehen.«
    Doch Caroline verstand. Es musste demütigend gewesen sein. Eine Schande, die wie ein Mal an ihr gehaftet hatte. Der Mann, den sie liebte, misshandelte sie. Sicher hatte Katja die Schuld dafür bei sich gesucht. Eigentlich erstaunlich, dass sie den Absprung geschafft und die Scheidung durchgezogen hatte. »Doch. Das verstehe ich schon.« Caroline beugte sich zu Katja. »Er hat dich getäuscht. Wie alle. Er ist nun mal ein Blender. Aber jetzt bist du ihn los.« Katja zuckte kaum merklich zusammen. Sie war ihn also nicht los. Sicher hatte er auch sie um Geld angegangen. Aber so wie Caroline Katjas Vater kannte, war der nicht bereit gewesen, einen Haufen Geld in den Rachen seines Exschwiegersohns zu stopfen. Schließlich hatte er das Prinzesschen nicht nur enttäuscht, sondern es auch geschlagen. »Bertram wird das Haus verlieren, wenn er nicht rechtzeitig seine Steuerschulden bezahlt. Aber das Problem ist er ja nun los.«
    Katjas Augen funkelten. »Du täuschst dich. Er war bei mir.«
    »Das habe ich auch gehört. Kann es sein, dass er dich bedroht?«
    Katja sprang auf. »Bist du völlig durchgedreht?« Wieder eilte ihr Blick zu den Bildern.
    Und jetzt verstand Caroline.
    Die Galerie war Katjas Stolz. Sie hatte sie aufgebaut, und sie lief erstaunlich gut. Sie hatte etwas erreicht, das aber leicht zu zerstören war. In der Kunstbranche zählte der Ruf. Und was war der Ruf einer Galeristin wert, wenn die Bilder der Künstler, die sie vertrat, bei ihr nicht sicher waren, wenn irgendein Irrer hereinmarschierte und sie zerstörte? Nichts.
    * * *
    Zwanzig Minuten später stieg Caroline am Kurfürstenplatz aus einem Taxi. Sie bezahlte den Fahrer und betrat das Haus. Noch immer hatten alle Kinder einen Schlüssel zur Wohnung. Das war der Wunsch ihrer Mutter gewesen, ein Zeichen dafür, dass hier ihr Zuhause war, dass sie jederzeit willkommen waren. Caroline sperrte die Wohnung auf und trat ein. Die Zimmer rochen verlassen. Stille füllte die Räume. Niemand lebte mehr hier. Ein Kloß setzte sich in ihren Hals. Sie schluckte ihn herunter und sah sich um.
    Als sie ihrer Mutter das Versprechen gegeben hatte, Tagebuch und Briefe zu vernichten, war diese völlig erschöpft gewesen und, wegen der Medikamente, auch zeitweise verwirrt. Möglicherweise hatte sie die Unterlagen selbst beseitigt, bevor sie ins Krankenhaus gegangen war. Aber Caroline wollte Gewissheit.
    Sie ging in das Zimmer ihrer Mutter. Ein kaum wahrnehmbarer Hauch von
Tresor,
Mutters Lieblingsparfum, hing in der Luft. Auf dem Sekretär lag ein Roman. An der Stelle, an der Elli zu lesen aufgehört hatte, steckte ein Lesezeichen zwischen den Seiten. Caroline nahm das Buch hoch.
Islandfischer
von Pierre Loti. Sie schlug die eingemerkte Stelle auf und las die Zeilen, über die Mutters Augen zuletzt geglitten waren.
Rund um Island herrschte das seltene Wetter, das die Seeleute die weiße Stille nennen; denn es rührte sich nichts in der Luft, als seien alle Winde erschöpft, erstorben.
    Caroline schlug den Band zu und legte ihn zurück. Mit einem Mal fühlte sie sich kraftlos. Am Ende blieb ein Lesezeichen in einem nicht zu Ende gelesenen Roman, ein Duft von Parfum, ein nutzlos gewordenes Zimmer. Vielleicht auch zu oft gehörtes Geschwafel eitler Männer, sinnlos vergeudete Zeit für Positionskämpfe, verschwendete Kraft für eine Karriere, die einem dann
was
gab? Das Gefühl, es allen gezeigt zu haben? Caroline fuhr hoch. Herrgott. Sie wusste, was sie tat und warum sie es tat.
    Entschlossen zog sie die unterste Schublade des Sekretärs auf und durchsuchte sie. Nichts. Systematisch arbeitete sie sich durch den Sekretär, den Schrank, die Kommode und nahm sich dann Nachtkästchen und Regal vor. Im Papierkorb, unter einem alten Reiseprospekt, fand sie schließlich, wonach sie suchte. Ein in weinrotes Leder gebundenes Büchlein und ein Stapel Briefe, von einem weißen Satinband zusammengehalten. Caroline steckte den Fund in die Handtasche, rief beim nächstgelegenen Taxistand an und verließ das Haus.
    Sie fuhr zurück ins Büro und arbeitete an der Meilensteinplanung weiter. Als sie fertig war, nahm sie den Laptop und

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