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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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und legte das Gerät auf den Tisch. »Bertrams Rad ist bei der KTU. Wenn die Erdbrocken davon stammen, dann wird es eng für ihn. Was meinst du?«
    »Theoretisch ist einiges möglich: Bertram fährt mit seinem Auto nach Münsing, das Rad im Kofferraum …«
    »Im Porsche? Da müsste er wenigstens das Vorderrad abmontiert haben.«
    »Und, warum hätte er das nicht tun sollen?«, entgegnete Dühnfort und fuhr dann fort. »Er fährt also zum Wochenendhaus, überfällt seinen Vater und legt, da er die Bilder aus dem Album kennt – also das setze ich jetzt einfach mal voraus –, mit der Art, wie er den Vater seinem Schicksal überlässt, eine falsche Spur. Anschließend richtet er das Haus so her, dass es verlassen aussieht. Dazu muss Vaters Auto weg. Er packt also sein Rad in den Kofferraum des Jeeps, fährt im Schutz der Dunkelheit zum Hotelparkplatz, stellt das Auto ab, holt sein Rad heraus und fährt zurück zum Wochenendhaus. Dort lädt er das Mountainbike wieder in sein Auto undfährt heim. Vielleicht ist er auch die ganze Strecke von Harlaching bis an den See und wieder zurück geradelt«, überlegte Dühnfort.
    »Das hat er ja am Tag davor auch getan.«
    »Wir sollten die Verkehrsüberwachungsbänder anfordern. Bertram fährt einen dreißig Jahre alten orangeroten VW-Porsche. Den kann man gar nicht übersehen.«
    »Er könnte sich auch ein Auto geliehen haben. Also checke ich auch die Autovermietungen.«
    Das Signal, das den Eingang einer E-Mail ankündigte, tönte von Dühnforts PC herüber.
    Alois erhob sich. »Buchholz gibt uns bis morgen Bescheid.«
    »Gut.« Dühnfort sah auf die Uhr. Schon nach sechs.
    In der Tür drehte Alois sich um und knöpfte den mittleren Knopf des Sakkos zu. »Anfang November würde ich gerne drei Wochen Urlaub nehmen. Geht das?«
    »Wenn wir den Fall bis dahin abgeschlossen haben, sollte das kein Problem sein.« Dühnfort dachte an Gina. Wenn sie für längere Zeit ausfiel … Er schob den Gedanken beiseite.
    »Ich brauche diese drei Wochen. Mein Vater muss auf Kur. Der Termin ist fix, und meine Mutter schafft die Arbeit in der Metzgerei und in der Wirtschaft nicht allein.«
    Alois gehörte erst seit dem Frühling dem Team an und hatte bisher wenig über seine Vergangenheit verlauten lassen. Dühnfort wusste lediglich, dass er aus Regensburg stammte und Vater eines Sohnes war, den er während der Maidult am Ufer der Donau gezeugt hatte, als Folge von zu viel Alkohol und Testosteron und mit einer Frau, die er kaum kannte.
    Alois hob die Arme und ließ sie wieder fallen. »Diebesten Rostbratwürste in der Oberpfalz gibt’s beim Fünfanger in Regensburg. Nach der Schule bin ich erst Metzger geworden. Aber das liegt mir nicht.«
    Noch ein Sohn, der seinen Vater enttäuscht hatte. »Hast du keine Geschwister, die einspringen könnten?«
    Alois’ Miene verdunkelte sich. Noch immer stand er im Türrahmen, halb drinnen, halb draußen. »Meine Schwester hat auch Metzgerin gelernt. Vor zwei Jahren hat sie sich mit ’m Motorradl derrennt.« Immer wenn bei Alois Gefühle an die Oberfläche schwappten, förderten sie auch den Dialekt zutage.
    »Das tut mir leid.« In solchen Situationen fühlte Dühnfort sich oft hilflos, und dieser Satz erschien ihm dann wie eine Floskel. Aber bisher hatte er keinen anderen gefunden.
    »Na. Es sind ja noch zwei Wochen bis dahin.« Alois zog die Tür hinter sich zu.
    Als er den PC ausschalten wollte, entdeckte Dühnfort eine Mail. Sie war von Agnes. Er zögerte einen Moment, bevor er sie öffnete.
    Lieber Tino,
    interessantes Bild, in das man eine Menge hineininterpretieren könnte. Das will ich aber nicht. Das habe ich früher gemacht. Wozu das geführt hat, weißt du. Auf weitere Katastrophen kann ich verzichten. Unsere Affäre ist also beendet?
    Ich weiß nicht, was du erwartest, obwohl ich eine Vermutung habe. Aber, wie gesagt, das Interpretieren von Gefühlslagen ist nicht meine Stärke, ebenso wenig, wie deine Stärke darin liegt, über Gefühle zu sprechen. Willst du es nicht doch versuchen? Morgen Abend bei mir?
    Agnes
    Der Tonfall klang so verärgert, spröde, abweisend.Aber weshalb wollte sie dann überhaupt noch mit ihm reden? Um das letzte Wort zu haben? Das passte nicht zu ihr. Er wusste nicht, ob er die Einladung annehmen sollte. Es war alles klar. Er wollte das Spiel nicht weiterspielen. Nicht zu diesen ungleichen Bedingungen. Der einzig denkbare Grund war die Hoffnung. Die Hoffnung, dass sich an dieser emotionalen Schieflage irgendwann

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