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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Tino, perfektes Timing. Ich hab sie. Alle drei.« Sie saß hinter dem Schreibtisch,vor sich Block und Stift sowie drei Kopien aus Heckeroths Album. »Volltreffer. Bin ich gut oder bin ich gut? Alle drei arbeiten bei Begleitagenturen.«
    Dühnfort war erleichtert, Gina so anzutreffen, wie sie für gewöhnlich war: lebhaft und aufgedreht. »Du bist gut und noch besser und außerdem krankgeschrieben. Solltest du dich nicht schonen?«
    Gina sammelte ihre Unterlagen ein und stand auf. Sie trug Fleeceshirt und Cargohosen, wie immer. »Fängst du jetzt auch noch an? Den ganzen Tag wollten sie, dass ich den Schlafanzug anziehe und mich brav ins Bett lege. Ich bin aber nicht krank. Jedenfalls fühle ich mich nicht so. Und die ganzen Untersuchungen heute haben auch nichts ergeben.« Eine steile Sorgenfalte erschien zwischen ihren Augenbrauen. Dann sah sie die Dallmayr-Tüten. »Wenn ich allerdings die Kranke spielen muss, um an den Inhalt dieser Tüten zu gelangen …« Gina kam hinter dem Schreibtisch hervor.
    Er umarmte sie. Für einen kurzen Moment nahm er wieder den Duft nach altem Land an ihr wahr. »Dir geht’s gut. Das ist schön«, sagte er, aufrichtig froh. »Trotzdem: Für alle Fälle etwas Nervennahrung.« Er zog die Zellophantütchen hervor.
    »He, meine Lieblingssorten. Woher weißt du das?«
    In Ginas Schokoladenaugen lag ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte. »Du hast es einmal erwähnt.«
    Gina löste ihren Blick von seinem. »Komm, lass uns hier verschwinden. Um acht muss ich auf meinem Zimmer sein, sonst kriege ich Ärger mit der Nachtschwester. Sag mal, was hast du mit deiner Hand gemacht?«
    »Ich habe mich geschnitten. Nicht der Rede wert.« Er wollte sie nicht beunruhigen.
    »Seit wann bist du Linkshänder? Ich meine, der Schnittist in der rechten Hand. Oder jonglierst du neuerdings mit Messern?«
    »So ähnlich.« Gina würde nicht lockerlassen. Also erzählte er ihr die Geschichte, allerdings ohne ihre wahre Brisanz zu offenbaren. Das hatte er sich selbst noch nicht gestattet. »Plötzlich hatte sie das Messer in der Hand. Ich habe vorgezogen, es ihr abzunehmen, bevor etwas passiert.«
    Gina musterte ihn skeptisch. »Sie ist mit einem Messer auf dich losgegangen? Aber hallo. Ganz schön durchgeknallt, die Gute. Das gibt aber schon eine Anzeige?«
    »Sicher.« Dühnfort ging neben ihr durch die Flure. Die Böden waren abgetreten, die Fenster mussten dringend geputzt werden, an den weißen Wänden waren schwarze Schrammen von den Gummipuffern der Krankenbetten, die hier entlanggeschreddelt waren. Die ganze Atmosphäre bedrückte ihn. »Und du warst fleißig, obwohl du krankgeschrieben bist?«
    »War eine gute Ablenkung. Und ich habe recht: Rebecca Engelhardt arbeitet unter dem Künstlernamen Trixie beim Diamant-Begleitservice.« Gina reichte ihm den Ausdruck einer Internetseite. »Wobei ich mal davon ausgehe, dass auch Rebecca Engelhardt nicht ihr richtiger Name ist. Das hier ist Mandy, 22 , habe ich bei Sexy Lady Escort gefunden, und das ist Svetlana, 23 , vom Aphrodite Escortservice.« Gina reichte ihm die dazugehörenden Ausdrucke.
    »Danke. Die kann Sandra morgen befragen. Wir haben heute schon zu spüren bekommen, dass du fehlst. Bist du am Montag wieder da?«
    »Wenn die Docs morgen nichts finden, flüchte ich postwendend aus diesem Alptraum hier. Dann habt ihrmich morgen Nachmittag wieder. Der Eingriff ist halb so wild. Die leuchten mit einer speziellen Lampe die Blasenwand ab, und wenn irgendwas blau aufblitzt, dann ist es bösartig. Außerdem nehmen sie eine Gewebeprobe von dem Knubbel, den die Urologin entdeckt hat. Danach muss ich ein paar Tage warten, bis das Ergebnis da ist. Deckt mich also ordentlich mit Arbeit ein, dann habe ich keine Zeit, mir Sorgen zu machen.« Das Lächeln, das Gina versuchte, blieb auf halber Strecke stecken.
    Dühnfort öffnete das Tütchen Orangentrüffel. »Etwas Nervenfutter?«
    »Eine Überdosis bitte.« Gina holte zwei der Trüffel hervor und schob sie sich in den Mund. Inzwischen waren sie auf der Station angelangt. »Jetzt wirst du gleich sehen, in welchen Luxuszimmern Privatpatienten untergebracht sind«, sagte Gina mit vollem Mund und öffnete die Tür. Flackernd ging das Neonlicht an und entblößte den winzigen Raum in all seiner Trostlosigkeit. Der Platz reichte mit Müh und Not für das Krankenbett, das Nachtkästchen und einen Tisch, der samt Stuhl in einer Ecke klemmte. Grauer Linoleumboden, kahles Fenster ohne Vorhang oder Gardine. Lediglich ein

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