In weißer Stille
für sich und Leon einen Platz zu sichern.
Leon blieb zögernd neben ihr stehen. »Aber ihr lasst euch nicht scheiden, gell, Mami?«
»Mach dir keine Sorgen. Eltern streiten sich auch mal, da hat euer Vater schon recht. Aber dann verträgt man sich wieder.«
Noel rief, Leon solle endlich kommen. Der nahm seinen Rucksack und stieg ein. In der offenen Tür winkte er seiner Mutter einmal zu, dann war er weg.
Babs fuhr nach Hause, nahm beim Bäcker Semmeln für das Frühstück mit und ging nach oben. Im Treppenhaus kam ihr Caroline entgegen. Sie sah erschreckend aus. Bleich und verhärmt. »Da bist du ja, ich dachte schon, es sei keiner da.«
»Die Jungs fahren ins Schullandheim. Ich habe sie gerade zum Bus gebracht. Albert schläft noch.«
»Anscheinend wie ein Bär.«
»Vielleicht ist er unter der Dusche. Hast du schon gefrühstückt?«
Caroline schüttelte den Kopf. »Ich brauche jemanden zum Reden.«
Sie gingen nach oben. Babs legte die Semmeltüte auf die Ablage im Flur, schlüpfte aus dem Mantel und reichte Caroline einen Bügel. Dabei bemerkte sie, dass Alberts Mantel fehlte. Die Schlafzimmertür war angelehnt, das Bett leer. Albert war weg. Wohin konnte er um acht Uhr morgens gegangen sein? Sie lief in die Küche. Auf dem Tisch lag keine Nachricht. Wieder war er einfach verschwunden. Was glaubte er denn, wer sie sei? Seine Putzfrau und Haushälterin und die Frau für einen gelegentlichen
guten Fick
? »Mistkerl!« Wütend griff sie zum Telefon und wählte seine Handynummer.
Caroline beobachtete sie. »Du sprühst ja richtig Funken. Was ist denn los?«
Albert hatte sein Handy ausgeschaltet. Babs knallte das Telefon zurück in die Ladeschale. »Albert scheint das Erbe seines Vaters anzutreten. Vermutlich hat er eine Freundin.«
Während sie Kaffee aufbrühte und Caroline den Tisch deckte, schüttete Babs ihr Herz aus. »Am Mittwoch ist er nach einem Streit verschwunden und erst am Donnerstagabend wiedergekommen. Allerdings mit Rosen. Er hat in der Wohnung eurer Eltern übernachtet. Sagt er. Und gestern Abend hat es richtig Krach gegeben. Ich habe ihm die Kinder angehängt. So sieht er das.«
»Ach, Babs.« Caroline umarmte sie. »Ich habe das Gefühl, alles bricht auseinander.«
»Ich glaube, er hat etwas mit seiner Sprechstundenhilfe. Und jetzt ist er schon wieder weg und sagt nicht einmal, wohin er ständig verschwindet. Gestern nach dem Krach ist er auch einfach gegangen und erst nachts um eins zurückgekommen.«
Der Kaffee war fertig. Babs setzte sich an den Tisch und schenkte erst Caroline, dann sich ein. »Ich habe ihn nicht gefragt, wo er war. Ich will keinen weiteren Streit.« Sie hielt Caroline den Brotkorb hin. »Entschuldige. Ich lade meine Probleme bei dir ab, dabei bist du diejenige, die jemanden zum Reden braucht.«
Caroline sah blass aus, tiefe Schatten lagen unter ihren Augen, ein angespannter Zug hatte sich um die Mundwinkel eingegraben. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Bertram tot ist, dass er sich erschossen hat. Wenn er doch nur diesem Russen damals die Waffe nicht abgenommen hätte. Wenn Albert mich nur auf dem Handy angerufen hätte, statt auf den Anrufbeantworter in der Wohnung zu quatschen. Er wusste doch, dass ich in Frankfurt bin, und außerdem rufen mich alle Leute auf dem Handy an, beinahe hätte ich seine Nachricht übersehen. Es gibt tausend
Wenns,
die das hätten verhindern können, und nichts davon ist geschehen. Warum nur?«
Darauf gab es keine Antwort. Babs griff nach Carolines Hand. »Mach dir keine Vorwürfe. Ihr wolltet ihm helfen. Es konnte doch niemand ahnen, dass er Ernst machen würde, und noch dazu so überstürzt.«
»Wir hätten ihm das Geld geben sollen. Wenn Vater doch nur gesagt hätte, dass er das Testament geändert hat …« Caroline begann eine Semmel zu zerrupfen. »Ich fühle mich, als würde ich auseinandergerissen, in lauter kleine Teilchen. Und nächste Woche ist Vorstandssitzung. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Und dann habe ich mich auch noch mit Marc zerstritten.«
»Schlimm?«, fragte Babs. »Oder ist das wieder zu kitten?«
Caroline schüttelte den Kopf. »Ich habe ihm vorgeworfen … o Gott, das kann man gar nicht laut sagen.« Sie stützte den Kopf in die Hände und stöhnte. »Ich bin eine so doofe Kuh. Ich habe ihm unterstellt, dass er sich von einer Heirat mit mir geschäftliche Vorteile verspricht.«
Das konnte nicht wahr sein. Wie kam sie nur auf diese Idee? Und dann sagte sie das auch noch. Das Telefon
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