In weißer Stille
Die Johannisbeeren in seinem Garten haben in diesem Jahr besonders viel getragen, und er hat mir eine Schüssel mitgegeben.«
»Und das war vorgestern?«
Sie nickte. »Ganz sicher. Vorgestern. Am Dienstag. Ich habe ihn dann noch zum Tee eingeladen.«
Dühnfort seufzte. Merde. Weshalb hatte Gina das nicht überprüft? Er bedankte sich für die Auskunft und verabschiedete sich.
»Das war es schon? Mehr wollen Sie nicht wissen?« Sie begleitete ihn zum Gartentor. Ein silberfarbener Kleinwagen erschien auf dem Waldweg und hielt vor dem Haus. Eine große Frau mit kräftiger Figur stieg aus und musterte Dühnfort misstrauisch. »Hat meine Mutter irgendwas unterschrieben? Dann können Sie das gleich in die Tonne treten. Sie steht unter Betreuung, und wenn Sie nicht augenblicklich die Kurve kratzen …«
»…dann hetzen Sie diese Bestie auf mich.« Dühnfort sah hinunter zu Susi, die in der Erde wühlte.
»Aber Sylvia. Der Herr ist von der Polizei.«
»Ach, so einer sind Sie! Das ist ja die neueste Masche.« Die Frau funkelte ihn aus dunklen Augen an und holte das Handy aus der Jackentasche. »Hast du ihm Geld gegeben, Mama?«
Warum werde ich ständig für einen Bösewicht gehalten, fragte Dühnfort sich und zog seinen Ausweis hervor. »In diesem Punkt erinnert sich Ihre Mutter richtig. Dühnfort. Kripo München.«
Sie musterte die Plastikkarte, dann stahl sich ein Grinsen in ihr Gesicht. »’tschuldigung. Aber Ihnen muss ich ja wohl nicht sagen, wie die alten Leutchen ausgenommen werden. Was wollen Sie von meiner Mutter?«
»Ich wollte sie wegen des Mordes an ihrem Nachbarn sprechen. Wir dachten, sie hätte vielleicht am Tattag eine Beobachtung gemacht.«
»Ja, stell dir vor, Sylvia«, Waltraud Ullmann gab Susi einen weiteren Keks, »gestern habe ich noch mit dem Wolfram gesprochen, und jetzt ist er tot. Ertrunken. Ist das nicht schrecklich?«
»Das war der Alfons von der Segelschule, der ertrunken ist, Mama. Und das ist auch schon ein Jahr her.« Sylvia Ullmann wandte sich an Dühnfort. »Ich muss nur schnell die Einkäufe ins Haus bringen, da ist Tiefkühlzeug dabei, das taut sonst an. Geben Sie mir fünf Minuten, dann habe ich Zeit für Sie.«
»Kein Problem.« Dühnfort wies Richtung Garage. »Darf ich solange einen Blick auf das Boot werfen?«
»Klar. Segeln Sie?«
»Früher einmal. Vielleicht sollte ich wieder damit anfangen.«
»Es hat meinem Vater gehört. Ich segle nicht und Mama auch nicht. Im Frühling werde ich eine Anzeige aufgeben. Im Herbst kauft ja niemand ein Boot.«
Sie holte die Einkaufstüten aus dem Auto und trug sie ins Haus. Dühnfort ging hinüber zum Boot und hob die Persenning an. Er hatte sich nicht getäuscht. Es war ein Folkeboot, der Rumpf geklinkert beplankt und nicht aus GFK, also Fiberglas, sondern aus Mahagoni. Sicher war es mehr als dreißig Jahre alt, aber, soweit er das sehen konnte, gut in Schuss. Er lüpfte die Persenning an verschiedenen Stellen. Die Planken brauchten mal wieder einen Osmoseschutz; das schien es schon zu sein. Ein solches Boot gehörte aufs Meer und nicht auf einen bayerischen See. Aber die Nordsee war weit.
Sylvia Ullmann kam vom Haus her auf ihn zu. »Gefällt es Ihnen?«
Dühnfort nickte. »Sind die Segel in Ordnung?«
»Mein Vater hat es ständig gepflegt. Es müsste alles tipptopp sein. Der Schorsch von der Segelschule kennt es. Dort hat es immer gelegen. Mit dem können Sie reden, falls Sie sich dafür interessieren.«
»Wie viel wollen Sie dafür haben?«
»Neuntausend sollen wir verlangen, sagt der Schorsch.«
Dühnfort war eigentlich kein spontaner Mensch. Immer wog er Entscheidungen ab, grübelte nach. Aber etwas in ihm wollte dieses Boot haben. »Ist der Trailer im Preis inbegriffen?«
Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie.
»Gut. Dann nehme ich es.« Er reichte ihr die Hand.
»Sie fackeln aber nicht lange«, sagte sie und schlug ein. »Wenn Sie Glück haben, ist der Liegeplatz noch nicht neu vergeben. Soll ich den Schorsch anrufen und fragen?«
»Das wäre sehr nett.«
Sie zog das Handy aus der Tasche und telefonierte mit dem Inhaber der Segelschule. Der Liegeplatz war noch frei und auch ein Platz im Winterquartier. Dühnfort nahm beide. Er notierte sich Adresse und Telefonnummer der Segelschule und ließ sich die von Sylvia Ullmann geben. Sie wohnte in München am Bonner Platz, in der Nähe des Schwabinger Krankenhauses. »Ich besorge noch ein Formular für einen Kaufvertrag. Wenn ich den ausgefüllt habe, rufe ich Sie
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