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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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begann zu läuten. Wenn das Albert war … Babs stand auf. »Ich bin gleich wieder da.«
    Aber es war Marc. »Ist Caroline bei euch? Ich kann sie nirgends erreichen. Dieser Bertram H., von dem in der Zeitung steht, dass er sich erschossen hat, das ist doch nicht euer Bertram, oder?«
    »Doch. Das ist er. Caroline ist bei mir. Es geht ihr nicht gut.«
    »Kann ich sie sprechen?«
    »Natürlich.« Babs ging mit dem Telefon in die Küche. »Es ist Marc.«
    Caroline sah verblüfft hoch und griff dann nach dem Mobilteil. »Marc. Es tut mir so leid«, begann sie.
    Babs wollte nicht stören und ging ins Schlafzimmer, um die Betten zu machen. Ob Albert auch schon leidtat, was er gesagt hatte? Vielleicht hatte er es nicht so gemeint. Er befand sich, wie Caroline, in einer Ausnahmesituation. Wie konnte sie nur erwarten, dass er mit dieser schrecklichen Abfolge von Schicksalsschlägen souverän umging? Statt ihm den Rücken freizuhalten, ihn zu unterstützen und zu trösten, halste sie ihm noch Erziehungsprobleme auf, die sie sehr gut alleine hätte lösen können. Im Moment war das alles einfach zu viel für ihn. War es da nicht allzu verständlich, dass er gestern Abend überreagiert hatte? Ihre – wie hatte er das genannt? – absolutistischen Ansprüche an Recht und Moral mussten fürihn wie Hohn geklungen haben. Sein Vater war ermordet worden, Bertram hatte sich erschossen, und Albert quälten seither Schuldgefühle, dass er beides nicht hatte verhindern können – und da sprach sie von Moral. Wie hatte Caroline vorher gesagt?
Ich bin eine so doofe Kuh.
Ich auch, dachte Babs.
    * * *
    Bertram war tatsächlich an der Tankstelle gewesen und hatte einen Sack Grillkohle gekauft. Auf dem Band war er zu erkennen. Seine Fingerabdrücke an der Heckklappe ließen sich also erklären. Aber der Überfall hatte einen Tag später stattgefunden, und die Spuren im Auto stammten von Bertrams Rad, wofür er keine Erklärung gehabt hatte.
    Dühnfort kaufte einen Becher Kaffee und eine Tafel Zartbitterschokolade, bedankte sich beim Pächter und verließ die Tankstelle.
    Das Auto stand neben der Waschanlage. Dühnfort stieg ein, legte das Videoband der Überwachungskamera ins Handschuhfach, brach einen Riegel Schokolade ab und schob ihn in den Mund. Kurz vor acht. Der Nebel begann sich zu lichten. Dühnfort entfernte den Deckel vom Pappbecher und trank den heißen Kaffee.
    Vergangene Nacht hatte er keinen Schlaf gefunden. Er hatte den dümmsten aller Fehler gemacht, indem er Agnes unter Druck gesetzt und ihr ein Ultimatum gestellt hatte. Und dann hatte er sich noch benommen wie der letzte Idiot, war grußlos verschwunden und hatte auch noch die Tür hinter sich krachend ins Schloss fallen lassen. Die ganze Nacht hatte er sich wegen seiner Dummheit und seines unangemessenen Abgangs geschämt und schlaflos im Bett gewälzt. Bis er es um sechs nicht längerausgehalten hatte und aufgestanden war. Um halb sieben hatte er seine Wohnung verlassen.
    Dühnfort leerte den Kaffeebecher und wählte die Nummer von Alois. »Sind die Verkehrsüberwachungsbänder inzwischen da?«
    »Bis jetzt noch nicht.« Alois’ Stimme klang verwaschen, als habe er noch geschlafen.
    »Und weshalb dauert das so lange?«
    »Hab ich doch schon gesagt.«
    »Soll ich selbst hingehen und sie raussuchen? Oder machst du denen jetzt mal Feuer unterm Arsch?«
    »Ein solches Wort aus deinem Mund.« Etwas raschelte im Hintergrund. »Aber reg dich ab, ich schwinge mich sofort aus dem Bett und gucke nach, unter wessen
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ich ein Feuerchen entfachen kann. Adieu.« Alois legte auf.
    Dühnfort atmete durch. So ging das nicht. Das war nicht seine Art; er durfte seinen Frust nicht an seinen Mitarbeitern auslassen.
    Er startete den Wagen und fuhr Richtung Autobahn. Die Bilder des Tatorts gingen ihm durch den Kopf. Die einsame Lage ohne neugierige Nachbarn, ohne Passanten, die vorbeikamen und Beobachtungen machen konnten. Lediglich eine alte Dame wohnte hundert Meter entfernt.
    Die Autobahnauffahrt zweigte von der Bundesstraße ab. Dühnfort fuhr, einem spontanen Entschluss folgend, geradeaus weiter. Als er wenige Minuten später Heckeroths Haus erreichte, brach die Sonne durch die Wolkendecke. Regentropfen funkelten im Gras, die Dachziegel glänzten wie Burgunder, ein Windhauch zupfte orangerote Blätter vom Ahorn, die schaukelnd zu Boden glitten. Dühnfort fuhr weiter zum Haus der Nachbarin.
    Das Grundstück machte einen verwilderten Eindruck. Der Rasen war zwar gemäht und die

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