In weißer Stille
an«, sagte sie und schob die Hände in die Hosentaschen.
Dann kam Dühnfort auf den Grund seines Besuches zu sprechen. Wie sich herausstellte, hatten Sylvia Ullmann und ihre Mutter das Wochenende vor dem Überfall auf Heckeroth hier im Wochenendhaus verbracht. Sie waren aber schon am Sonntag zurück in die Stadt gefahren. »Ich bin Krankenschwester und hatte Nachtschicht. Wir sind erst letztes Wochenende wieder hergekommen und bis Dienstag geblieben. Am Montagabend war ich in Münsing bei der Probe im
Alten Wirt.
Ich bin Mitglied der Volkstanzgruppe. In der Zeit muss IhreKollegin mit meiner Mutter gesprochen haben. Aber zu mir hat Mama kein Wort gesagt. Und Ihnen hat sie anscheinend eine tolle Geschichte erzählt.«
Dühnfort nickte. »Dank der Aussage Ihrer Mutter dachten wir, der Zeitpunkt des Überfalls ließe sich gut eingrenzen. Sogar sehr gut. Aber nun fangen wir von vorne an.«
»Das tut mir leid. Er war ein netter Mann, der Wolfram … dass er so schrecklich sterben musste …« Sie zog die Schultern hoch. Ihre Antworten auf seine Fragen brachten Dühnfort allerdings nicht weiter. Sie könne sich nicht vorstellen, wer Heckeroth das angetan habe. Sie habe ihn nicht besonders gut gekannt. Ihre Eltern seien zwar ständig hier gewesen, aber sie begleite ihre Mutter erst seit dem Tod des Vaters im Frühling regelmäßig ins Wochenendhaus.
Sylvia Ullmann reichte ihm die Hand zum Abschied. »Ich melde mich dann wegen des Kaufvertrags.«
Dühnfort rief Ursula Weidenbach vom Auto aus an, erklärte ihr sein Problem und fragte, ob sie den Zeitpunkt des Überfalls bestimmen könnte.
»Sie haben die Leiche doch selbst gesehen. Fortgeschrittenes Verwesungsstadium, wie soll ich da eine präzise Aussage zum Todeszeitpunkt machen, geschweige denn die Tatzeit schätzen?«
* * *
Dühnfort fuhr nicht ins Büro, sondern an die Hochleite. Irgendetwas trieb ihn dorthin, vielleicht wieder einmal die Angst, etwas zu übersehen. Er parkte vor Bertrams Haus und holte den Schlüssel, den er am Tag zuvor mitgenommen hatte, aus dem Handschuhfach.
Seine Schritte hallten auf dem Fliesenboden, der überall im Haus lag. Es hatte eine kalte und abweisende Atmosphäre, die Dühnfort bei seinem ersten Besuch nicht aufgefallen war. Er ging in das minimalistisch ausgestattete Wohnzimmer: große Fensterflächen, Glas und Chrom, die Sitzecke aus schwarzem Leder, ein leicht fauliger Geruch. Blut und Gehirnmasse klebten noch dort, wo sie hingespritzt waren – Sekundenbruchteile nachdem Bertram den Abzug betätigt und das Projektil die Gaumenwand durchschlagen hatte, durchs Stammhirn geschossen war und, auf minimalen Widerstand stoßend, das Hinterhauptbein abgesprengt hatte.
Dühnfort sah sich um. Der Staub des Argentorats, mit dem die Fingerspuren gesichert wurden, haftete an glatten Oberflächen, die Lage des Toten war mit Klebeband markiert, ein Plastikbeutel lag vergessen auf dem Boden.
An der Wand hing ein großformatiger Fernseher, die Boxen der Stereoanlage glichen mit ihren schlanken Säulen Skulpturen. Dühnfort ging zu einem Sideboard in der Essecke und öffnete die Türen, fand jedoch nicht die erwartete Bar.
Auch in der Küche entdeckte er keinen Alkohol, bis auf eine Flasche Champagner im Kühlschrank, und die war verschlossen. Er sah in den Mülleimer. Obenauf lag eine Bananenschale, darunter die Plastikverpackung eines Fertiggerichts
Lasagne
und eine Kaffeefiltertüte, deren braune Ränder sich kräuselten. Dühnfort wollte den Deckel schon wieder schließen, als sein Blick auf etwas Goldenes fiel, das von weiter unten heraufblinkte. Er zog es hervor. Es war ein schwarzer Papierstreifen mit goldgeprägter Schrift –
ore De
entzifferte er auf dem abgerissenen Fitzelchen. Es konnte von einer Papiermanschette stammen, mit der Flaschenverschlüsse versiegelt wurden. Dühnfort suchte im Mülleimer erfolglos nach dem Restder Manschette. Danach nahm er sich systematisch die Küche vor. Sie war für einen Junggesellenhaushalt verhältnismäßig sauber, aber er fand weder die Flasche noch den Rest der Papiermanschette. Im Spüler standen ein Gedeck Frühstücksgeschirr, ein Teller mit angetrockneter Tomatensoße und ein Glas. Er nahm es heraus und schnupperte daran. Fruchtsaft.
Dühnfort ging nach oben und durchsuchte Schlafzimmer, Bad und sogar die beiden Gästezimmer nach der Flasche. Blieb noch das Büro. Er stieg die Treppe wieder hinunter, lief durch den Flur und öffnete die Tür zu Bertrams Büro. Alles sah aus wie
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